Supermami oder Wrack? Warum wir die Bezeichnung «working mom» abschaffen sollten.
Von jacqueline (publiziert am Thu, 11 Jul 2019 03:00:10 +0000)
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Die Bezeichnung “working mom” zementiert Klischees, von denen wir uns dringend lösen sollten, findet unsere Autorin Jacqueline Krause-Blouin
Kürzlich war mein erster Tag als #workingmom. Gibt man auf Instagram diesen Hashtag ein, wird man mit klischierten, gefacetunenten Bildern geradezu überschwemmt. Bilder von Frauen, die vor dem Laptop stillen. Frauen am Telefon, die einen Gesichtsaudruck aufsetzen, als würden sie gerade zwei Weltkonzerne fusionieren, die gleichzeitig die Unterhosen ihres Ehegatten falten. Frauen mit gestählten Bodys und knallhartem Businesspokerface, das sich zu einem sanft debilen Grinsen auflöst, sobald sie ihr Baby nur von weitem erblicken. Social Media legt mir nahe: ich bin nun nicht mehr die, die ich einmal war. Zeit, Superwoman zu werden.
Auch in #reallife schlägt mein neues Ich Wellen. Kollegen von früher begrüssen mich mit den Worten “Na, Mommy?!” oder “Und, wo ist jetzt dein Kind?” Das Kind, es ist nun permanent Thema. Manche möchten Fotos sehen, andere wollen wissen, ob ich auf der Toilette Milch abpumpe und überhaupt komme ich mir vor, als sei auf meine Stirn gross das Wort “MUTTER” tätowiert worden.
Klar, ich bin nun Mutter und ich bin sehr stolz darauf. Und wenn ich Lust habe, rede ich stundenlang über den Schluckauf meines Babys oder debattiere leidenschaftlich darüber, wann der perfekte Zeitpunkt für feste Nahrung ist. Aber das ist es genau: wenn ich Lust habe. Ich könnte mich noch mit ganz anderen Hashtags versehen: #journalist, #feminist oder #rosédrinker zum Beispiel.
Ich will nicht vor jedem Meeting gefragt werden, ob mein Kind schon durchschläft. Sie denken vielleicht, das liege als Leiterin eines Mamablogs wohl in der Natur der Sache. Aber ich habe noch einen zweiten Job, und dort ist es ganz genauso. Müssen Väter im beruflichen Umfeld auch ständig über ihr Privatleben und Intimstes aus dem Wickelzimmer sprechen? Sowieso ist die Bezeichnung “working mom” Männern gegenüber unfair. Dem Hashtag #workingdad (49’400 Posts) wird auf Instagram ein Bruchteil der Aufmerksamkeit zuteil wie #workingmom (3.7 Millionen Posts). Von den Vätern wird offenbar nach wie vor ganz selbstverständlich erwartet, dass sie das Geld nach hause bringen. Jeder Dad ist dort ein working Dad, da erübrigt sich der Hashtag.
Auch wie die “working mom” in der Popkultur dargestellt wird, ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Entweder handelt es sich um verbissene, multitaskende “Momager”, die allen in perfekt gebügelten Businessblusen immer einen Schritt voraus sind, noch schnell in der Mittagspause beim Kinderarzt ein Rezept anfordern und um Mitternacht selbst Babybrei kochen, oder es handelt sich um Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs, die seit Wochen nicht geduscht haben und beim Meeting verwirrtes Zeug murmeln oder einschlafen. Auch die Netflixserie “Workin’ Moms” tappt in diese Klischeefalle.
Die Realität ist um einiges komplexer: Ich muss zugeben, dass ich vor meiner Schwangerschaft ein ziemlicher Workaholic war. Ich hatte panische Angst davor, in meiner Mutterschaftsabwesenheit in ein Loch zu fallen. In Gedanken sah ich mich damals am Abend vor meiner glamourösen Rückkehr ins Arbeitsleben meine Schuhe für den ersten postnatalen Arbeitstag polieren. Stattdessen fand ich mich, zu meiner eigenen Überraschung, heulend über einem Haufen Babybilder wieder, unfähig mir vorzustellen, das Kind alleine zu lassen. Die erste Zeit nach der Mutterschaftspause ist eine verletzliche. Einerseits will man professionell behandelt werden, andererseits beschäftigt einen die neue Realität permanent.
Es ist auch eine Zeit der Identitätsfindung. Und das glamouröse Image, das unter dem Hashtag #workingmom proklamiert wird, das alles so furchtbar easy aussehen lässt, trägt nicht zu einer gesunden, realistischen Rollenidentifikation bei. Auf Instagram spucken die Babys den Müttern nie auf die gestärkten Hemdkragen und und keine verliert bei der Arbeit den Faden, weil sie seit Monaten nicht mehr durchgeschlafen hat.
Ein weiteres Problem der Bezeichnung “working mom“ ist, dass sie impliziert, dass alle #notworkingmoms den ganzen Tag faul herumgammeln. Ich muss hier nicht mehr erwähnen, wie hart die Mütter schuften, die vermeintlich “nicht arbeiten”. Wer braucht diese unnötige Schubladisierung, die nur Vorurteile auslöst? Ich bezeichne meinen Friseur auch nicht als meinen “schwulen Friseur”, meine Kollegin nicht als “meine schwarze Kollegin” und meinen Steuerberater nicht als “jüdischen Steuerberater”. Das ist irrelevant und in manchen Fällen auch noch unhöflich.
Also streichen wir die Bezeichnung “working mom” aus unserem Vokabular! Ich jedenfalls bin einfach ein Mensch der ein Kind und einen Job hat.
Jacqueline Krause-Blouin ist Leiterin des Mamablogs. Die Journalistin war vorher Stv. Chefredaktorin der annabelle und ist im Februar 2019 zum ersten Mal Mutter geworden.
Der Beitrag Die #workingmom-Lüge erschien zuerst auf Mamablog.
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