Ab sofort gilt:«AHV First»
Der Bundesrat will zuerst separat die AHV sanieren und die Probleme der zweiten Säule erst später angehen. Potenziell unerquicklich ist, dass das Parlament die AHV-Reform mitten im Wahlkampf behandeln muss.

Und wieder startet eine neue Runde in der Endlosschlaufe der Rentenreformversuche. Am Mittwoch, drei Monate nach dem Scheitern des letzten Versuchs, erklärte Sozialminister Alain Berset (SP) vor den Medien, wie es weitergehen soll.
Grundsätzlich ist das neue Ziel das alte: Der Bundesrat will die zwei wichtigsten Säulen der Altersvorsorge – die AHV und die berufliche Vorsorge (Pensionskassen) – stabilisieren und zugleich das gesetzliche Rentenniveau sichern. Auch die Massnahmen, die der Bundesrat vorschlägt, sind notgedrungen die altbekannten, die das Volk schon mehrfach abgelehnt hat.
Kein Zeitplan für zweite Säule
Neu ist hingegen, dass es keine zweite Mammutvorlage geben wird, mit der die beiden Säulen gleichzeitig reformiert werden. Stattdessen lässt der Bundesrat als Erstes eine separate Vorlage für die AHV ausarbeiten, da hier die Zeit drängt. Ab 2023 drohen in der AHV wachsende Defizite von über 1 Milliarde Franken im Jahr.
Als Gegenmittel plant Berset eine relativ schlanke Reform, die 2021 in Kraft treten soll. Sie umfasst in erster Linie die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre. Diesen Schritt will der Bundesrat irgendwie abfedern, er weiss aber noch nicht, wie.
In der Diskussion ist eine vorzeitige Pensionierung für Personen, die jung zu arbeiten begonnen haben und nur wenig verdienen, was primär Frauen hilft. Daneben will Berset die Pensionierung flexibler gestalten und dabei die finanziellen Anreize so setzen, dass es interessanter wird, über 65 hinaus zu arbeiten.
Das alles wird aber nie ausreichen, um die AHV über 2030 hinaus zu sichern, wie es das Ziel ist. Deshalb muss der Bundesrat erneut üppige Mehreinnahmen in die Reform einbauen, voraussichtlich über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer.
So weit, so klar. Bersets AHV- Paket entspricht ziemlich genau dem Plan B, den die FDP im Abstimmungskampf um die abgelehnte Reform vorgelegt hatte.
Sehr viel unklarer sind die Ausgangslage und der Zeitplan bei der zweiten Säule. Hier hat der Bundesrat erst entschieden, dass er die Sozialpartner – Arbeitgeber und Gewerkschafter – eng einbeziehen will. Die Lösung müsse «von ihnen und mit ihnen» erarbeitet werden, sagte Berset.
Wie das genau gehen soll, ist noch unklar. Jedenfalls geht der Entscheid auf einen Wunsch des Arbeitgeberverbands zurück, der den Bundesrat denn auch prompt rühmte.
Die Idee hinter dem neuen Vorschlag: Die Sozialpartner sollen im stillen Kämmerlein einen Plan aushecken, der das Rentenniveau im obligatorischen Teil der zweiten Säule sichert. Im Parlament hatte diese technisch komplexe Frage ein episches Seilziehen provoziert.
Die Preisfrage ist immer noch dieselbe: Wie kann man den Mindestumwandlungssatz senken, ohne dass die Renten sinken? Arbeitgeber und Angestellte werden mehr Geld in Pensionskassen einzahlen müssen. Die Frage ist nur, in welchem Ausmass, und ob dabei auch Teilzeitjobs besser versichert werden sollen.
SP steht vor einem Dilemma
Hier liegt denn auch der Knackpunkt: Wie SP-Vizepräsidentin Barbara Gysi bekräftigt, braucht es aus Sicht der Linken nicht nur bei der Lohngerechtigkeit, sondern auch in der zweiten Säule Verbesserungen für die Frauen, um das höhere Rentenalter fair zu kompensieren.
Somit steht die SP wohl bald vor der delikaten Frage, ob sie die geplante AHV-Reform mittragen will, bevor klar ist, was in der zweiten Säule geschieht. Gysi will das zwar nicht ausschliessen, betont aber, die Kompensation in der AHV müsse schon ziemlich grosszügig sein, um die SP an Bord zu holen.
Und so geht es nun weiter: Berset will die neue AHV-Reform bis Ende 2018 ans Parlament überweisen. Dieses beginnt die Diskussion dann voraussichtlich ab Sommer 2019 – mitten im Wahlkampf, was die Suche nach dem ersehnten Kompromiss nicht erleichtern wird. Das letzte Wort hat, wenn alles gut geht, das Stimmvolk 2020.
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