AKW-Camp: Aktivist protokollierte Räumung
Dienstagnacht wurde das AKW-Camp vor dem BKW-Gebäude von der Polizei geräumt. Ein Aktivist*, der im Camp übernachtete, hat die Räumung protokolliert.
19.00 Uhr: Wie jeden Montagabend findet im Camp eine Vollversammlung statt. Anwesend sind etwa fünfzehn Personen. Zentrales Thema sind unter anderem Aktionen nach einer allfälligen Räumung. Die Verantwortlichen für die Verhandlungen mit der Stadt Bern weisen zudem darauf hin, dass Stadtpräsident Alexander Tschäppät die Resultate in die Sitzung des Gemeinderates von heute Mittwoch einbringen werde. Dieser werde dann über das weitere Vorgehen informieren.
21.15: Die Sitzung ist zu Ende. Die Aktivisten kochen das Nachtessen und hören Musik. Nach und nach ziehen sich in ihre Zelte zurück. Viele müssen am nächsten Morgen zur Arbeit oder in die Schule.
01.00: Nachdem die Küche geputzt ist und der Gemeinschaftsraum aufgeräumt, legen sich auch die letzten Camp-Bewohner schlafen. Im Camp kehrt Ruhe ein.
03.30: Die schlafenden Bewohner merken nicht, dass etwa 100 Einsatzkräfte der Polizei auf dem Viktoriaplatz aufmarschieren. Auch ein mobiler Kran und Mulden stehen bereit. Die Polizei umstellt das Camp, die Polizisten verteilen sich zwischen den Zelten.
03.35: Die Polizisten wecken die Camp-Bewohner und teilen ihnen mit, dass sie sofort mit der Räumung beginnen werden. Nach elf Wochen friedlichen Protests, reagiert die Stadt damit auf die Forderungen der vornehmlich rechten Sicherheitspolitiker.
03.40: Die Bewohner sind wach. Sie haben sich angezogen und die Zelte verlassen. Den Aufforderungen der Einsatzkräfte Folge leistend, tragen die Meisten von Ihnen nur Ausweispapiere auf sich. Beim Verlassen der Zelte werden ihnen Handschellen angelegt. Sie lassen persönliche Gegenstände, wie Laptops, Handys und Bargeld in den Zelten zurück. Diese könnten gemäss Polizei nach Aufnahme der Personalien vor Ort abgeholt werden. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits das lokale Fernsehen vor Ort.
03.50: Alle Bewohner haben ihre Zelte verlassen. Die Räumung verläuft bis dahin friedlich, die Aktivisten leisten keinen Widerstand. Sie werden in die Polizeitransporter verladen und in den Festhalte- und Warteraum Neufeld überführt. Dort warten sie in den Einsatzwagen auf das weitere Vorgehen.
05.00: Die ersten Berichte über die Räumung erreichen die Öffentlichkeit. Das Netzwerk der Aktivisten verfasst erste Medienmitteilungen.
05.15: Die letzten Demonstranten betreten die Polizeiwache. Zuerst müssen sie sich fotografieren lassen. Allerdings werden sie nicht über ihre Rechte und das weitere Vorgehen informiert. Konkrete Anschuldigungen seien bis dahin keine erhoben worden, berichtet ein Protest-Camper.
05.30: Auf dem Polizeiposten im Neufeld laufen Abklärungen zu den Personalien und Vorstrafen der Angehaltenen. Auf dem Holzboden ausharrend, erhalten sie nach wie vor keine Angaben über die Vorwürfe. Einem Aktivisten wird das Anrufen seines Anwalts trotz wiederholter Forderung nicht gestattet.
05.45: Auf dem Viktoriaplatz sind die Aufräumarbeiten nahezu abgeschlossen. Von den Zelten und dem grossen Holzdrachen ist nichts mehr zu sehen. Einzig zwei mobile Toiletten und die Gemüsebete zeugen noch vom Engagement der Aktivisten. Die Stadtgärtnerei beginnt damit, die Grünfläche zu pflügen.
06.00: Von den 26 Angehaltenen werden 25 wieder auf freien Fuss gesetzt. Sie begeben sich umgehend auf den Weg zum Viktoriaplatz, um ihre Habseligkeiten abzuholen.
06.30: Als die Anti-AKW-Camper am Viktoriaplatz eintreffen, ist die Grünfläche vor der BKW komplett geräumt. Etwa 50 Polizisten sind nach wie vor vor Ort. Sie regeln den Verkehr und bewachen die polizeiliche Sperrzone. Über den Verbleib des Eigentums der Aktivisten machen sie widersprüchliche Angaben.
09.30: Ein Aktivist nimmt telefonisch mit Marc Heeb Kontakt auf. Der Leiter der Gewerbepolizei teilt mit, dass für das Zurückgeben des Eigentums das städtische Fundbüro zuständig sei. Die Aktivisten machen sich auf den Weg in die Predigergasse. Weil das Fundbüro noch geschlossen ist, harren sie vor der Tür aus. Besonders prekär ist die Situation für einen jungen Mann aus Deutschland, der weder Bargeld, noch Mobiltelefon oder Ausweisdokumente auf sich trägt.
10.00: Das Fundbüro öffnet. Die zuständigen Beamten schieben die Verantwortung erneut auf die Gewerbepolizei ab. Erneut versuchen die Aktivisten den Kontakt zu Marc Heeb aufzunehmen. Dieser ist plötzlich nicht mehr erreichbar.
10.15: Nach längerem Suchen trifft die Gruppe Heeb zufällig im Hausflur. Er versichert, dass für das konfiszierte Material die Kantonspolizei Bern zuständig sei. Er verweist die Gruppe erneut an das Fundbüro. Bei allfälligen Schäden sei Strafanzeige gegen die Kantonspolizei zu erheben.
10.30: Es gelingt einem Aktivisten, vier Kisten mit elektronischen Geräten vom Fundbüro abzuholen. Die Gruppe erkundigt sich bei einem Anwalt nach den rechtlichen Grundlagen des Polizeieinsatzes, sowie des Verfahrens mit den beschlagnahmten Gegenständen der Camp-Bewohner. Sie stellen fest, dass die Polizei die volle Verantwortung über beschlagnahmte Gegenstände trägt. Offenbar stellte sie während der Räumung dennoch keine Quittungen aus. Bis jetzt wissen die Camp-Bewohner nicht, wo ihre Zelte abgeblieben sind. Die Polizei informiert nur spärlich.
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