SCB-Stars treffen das Tor nicht«Anfangs Saison hatte ich keinen Plan»
Sven Bärtschi, der unter Depressionen litt, und Joël Vermin weckten hohe Erwartungen. Beide konnten sie bisher nicht erfüllen.

Eishockey wieder geniessen. Freude haben. Das war das erklärte Ziel von Nordamerika-Rückkehrer Sven Bärtschi. Nun sitzt er gemeinsam mit Joël Vermin im Arena-Restaurant vor einem Teller mit Kalbsgeschnetzeltem, Reis und geschmorten Pak-Choi. Und spricht über eine Spielzeit, die bisher ein einziges Auf und Ab ist – und über eigene, bisher unerfüllte Erwartungen.
Bärtschi, dem als Königstransfer gefeierten Stürmer, gelangen erst vier Tore. Vermin steht bei fünf Treffern. Letzte Saison noch totalisierte der Stürmer in Genf 21 Tore – und stellte damit einen persönlichen Bestwert auf. «Ich reisse mir, wenn ich das so sagen darf, den Hintern auf. Doch es schaut nicht viel dabei heraus», meinte Vermin unlängst. Trotzdem geben sich die beiden 30-Jährigen vor den wichtigen Duellen gegen Zug und Fribourg locker.
Nicht zuletzt die Erfahrungen aus Übersee haben die Stürmer gestählt. Bärtschi, 2011 fünfter Schweizer Erstrundendraft, musste während zwölf Jahren immer wieder auch Rückschläge einstecken. «Die ersten Jahre waren hart. Es ist nicht leicht, es in die NHL zu schaffen. Man verbringt viel Zeit damit, zu analysieren. Es ist ein ‹Überanalysieren›», sagt der Stürmer.
Insbesondere die Zeit unter dem ehemaligen ZSC-Meistertrainer Bob Hartley in Calgary setzte dem Langenthaler zu. «Hartley glaubte, wenn er mich vor einem Spiel anschreit und so richtig sauer macht, liefere ich ihm die Antwort in Form von guten Leistungen. Eine Zeit lang funktionierte das. Doch irgendwann war ich kaputt und fühlte mich wie ein Hund an der Leine. Ich wurde in die AHL geschickt und dachte: ‹Eigentlich will ich nicht mehr zurück.› Wenn dir ständig auf die Finger geschaut wird und jeder Fehler ein grosser Fehler ist, verlierst du deine Lockerheit.»
Als Vermin nach einer missglückten Saison beim SCB 2014 versuchte, in Nordamerika Fuss zu fassen, rechneten nicht wenige mit einer baldigen Rückkehr. Der Stürmer gibt zu: «Anfangs hatte ich zu beissen. Niemand hatte auf mich gewartet. Ich dachte, ich würde am liebsten gleich wieder nach Hause.» Ernsthaft verfolgt hat er den Gedanken selbstredend nicht. «Ich war scheu und zurückhaltend, musste lernen, aus mir herauszukommen, auf Leute zuzugehen und mich den sich ständig verändernden Lebenssituationen anzupassen. Das alles hat mich als Mensch weitergebracht.»
Bärtschi litt unter Angstzuständen
Vermin hatte nach drei Saisons in der Organisation von Tampa Bay keine Mühe, sich in der Schweiz bei Lausanne wieder zurechtzufinden. Ganz anders Bärtschi, der nun seine erste Saison in der National League bestreitet. Er sagt: «Anfangs Saison hatte ich keinen Plan. Ich dachte, ich könnte mich schneller an das Schweizer Eishockey gewöhnen. Es ist eine schwierige Liga und ein ganz anderes Spiel.» Die Umstellung auf das grössere Eisfeld sei nicht zu unterschätzen. Weil er sich Zeit und Raum nicht gewohnt war, hätte er viel zu hastig den Abschluss gesucht. Und später Teamkollege Dominik Kahun, der es auf 188 NHL-Partien brachte, um Rat gebeten.
«Ich wollte wissen, was er macht, um so richtig ins Spiel zu kommen.» Kahuns Tipp: Bärtschi soll, wenn er von der Spielerbank kommt und es die Situation ermöglicht, sich in Richtung des sich im Puckbesitz befindenden Verteidigers bewegen und nicht in der Mittelzone auf ein Zuspiel warten. «In Nordamerika geht alles schneller. Da wartet selten ein Verteidiger hinter der Torlinie mit der Angriffsauslösung.»
«Ich dachte, ich könnte mich schneller an das Schweizer Eishockey gewöhnen. Es ist eine schwierige Liga und ein ganz anderes Spiel.»
Mittlerweile fühle er sich besser, versichert Bärtschi. «Ich habe das Gefühl: Jetzt kommt meine Zeit», sagt der Mann aus Aarwangen selbstbewusst. «Ich mag die Erwartungen bisher nicht erfüllt haben, aber es gibt einen Rest dieser Saison. Ich denke, ich kann der Mannschaft noch so richtig helfen.»
Die negativen Gedanken? Bärtschi hat sie längst hinter sich gelassen. Vor vier Jahren noch litt er nach einer Hirnerschütterung an mentalen Problemen. «Ich hatte Angstzustände, Depressionen und war in einem ständigen Fluchtmodus, als würde ich von einem Bären verfolgt. Alle Symptome gab ich mir selbst. Das Nervensystem war angeschlagen.» Selbst der Weg zum Stadion wurde zur Tortur. Bärtschi vergleicht es mit einer Rede, die man vor 1000 Personen halten muss. «Man beginnt aus Nervosität zu zittern, schwitzt und stottert.»
Vaterfreuden bei den Stürmern
Sechs Wochen lang besuchte er einen Psychologen, liess sich auch von einem Hirnspezialisten untersuchen und begann mit Meditation. Bis sich die Beschwerden wie mit einem Fingerschnipp in Luft auflösten. Heute sagt Bärtschi: «Du selbst entscheidest, wie du dich fühlst.» Der Stürmer spricht offen über die vergangenen Probleme, lächelt. Was sind im Vergleich dazu schon ein paar Tore mehr oder weniger?
«Manchmal triffst du und weisst nicht, weshalb. Manchmal kommst du gar nicht in die Position, um dein Talent, deine Skills zeigen zu können. Und manchmal spielen wir als ganze Mannschaft schlecht, und du kannst dich als Individuum gar nicht auszeichnen», sinniert Vermin.
Bärtschi wurde im Dezember zum zweiten Mal Vater, Vermin im letzten Juni zum ersten Mal. «Sobald ich zu Hause den Schlüssel ins Türschloss stecke, bin ich nur noch Papa», sagt Bärtschi. «Den Kindern ist es egal, ob du gut oder schlecht spielst», ergänzt Vermin. Der WM-Silberheld von 2018, der ein Betriebswirtschaftsstudium abgeschlossen hat und nun den Master in IT und Digitalisierung in Angriff nehmen will, ist sich sicher: «In schlechten Zeiten wächst man.»
Schlechte Zeiten? Sie sollen beim SCB endlich der Vergangenheit angehören. Es soll aufwärtsgehen. Auch für die beiden Stürmer.

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