Auf der Suche nach einer Begegnung
Angetroffen: Das Gespräch mit René (85) und Marianne (81) Wälchli beendet die Suche des Kolumnisten.

«Öppis mit Tourischtä» nahm ich mir vor für diese Kolumne. Kann ja nicht so schwer sein. Schliesslich steigen am Interlakner Westbahnhof Dutzende Menschen aus jedem ICE. Gerne würde ich mehr von ihren ersten Eindrücken des Berner Oberlands wissen. So weit so naiv.
Ich spreche eine Familie an. Der Vater, soeben erst mit dem schweren Rollkoffer aus der Zugtür gestolpert, sagt mir, sie hätten bereits ein Hotel und brauchten meine Hilfe nicht. Es soll nicht das letzte Kommunikationsproblem bleiben.
Ich versuche es auf der Höhematte. «My english. No good», sagt mir ein junger Chinese. Ein anderer schickt mich mit einer Handbewegung weg und zieht an seiner Zigarette.
Entlang des Interlakner Boulevards herrscht viel Betrieb. Rentner aus Fernost sammeln Kastanien unter den Bäumen der Höhematte. Stative werden aufgestellt. Trotz wolkenverhangenem Himmel versuchen sich mehrere Mittzwanziger als Fotografen. Lieblingssujet: Freundin.
Wahlweise abgelichtet von hinten mit offenem, glänzend braunem Haar unter den Kastanienbäumen. Oder eben zu zweit. Per Fernauslöser. 3, 2, 1...Luftsprung! Mit einem dieser Insta-Models und ihrem #boyfriendsofinstagram komme ich ins Gespräch. Aber ein Foto für die Zeitung? «No! Sorry.»
Dann endlich ein Erfolg. An der Höhematte sitzt ein Rentnerpaar auf einer Bank. Ich darf mich zwischen René (85) und Marianne (81) Wälchli setzen. Sie beginnt zu erzählen. Er zeichnet mit dem Gehstock Linien in den Kies.
Marianne Wälchli ist in Brienz aufgewachsen. Heute leben sie abwechselnd im aargauischen Gebenstorf und in der Ferienwohnung auf dem Bödeli. «Interlaken hat sich in all den Jahren stark verändert», erinnert sich Marianne Wälchli. Ihr Vater war während der Mobilmachung des Zweiten Weltkrieges in den leeren Hotels einquartiert. «Damals waren die Schaufenster der Läden mit Brettern verbarrikadiert.» Und heute: «Versperren Gestelle aus Ramschartikeln die Sicht auf die Schaufenster.» Der Tourismusmotor brummt. Zig Geschäfte stehen an der Höhematte.
Aber: «Hier gibt es nur noch Taschenmesser, Uhren und Schoggi», sagt René Wälchli. «Von diesem Geschäft profitieren nur ein paar wenige», ergänzt seine Frau. «Die Gier des Geldes», meint René Wälchli und zieht mit seinem Stock eine weitere Linie in den Kies.
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