Bahnhofausbau erst 2029 fertigVerzug im Schacht
Der neu gestaltete Berner Bahnhof wird mehr kosten und später fertiggestellt. Die politischen Verantwortlichen finden das «bedauerlich», aber «erklärbar».
Der Ausbau des Bahnhofs Bern zieht sich in die Länge. Die Erweiterung wird erst 2029 abgeschlossen, anderthalb Jahre später als geplant.
Schwierige geologische Verhältnisse, hydrologische Probleme, Altlasten und Corona machten den Planern einen Strich durch die Rechnung. Das gaben die SBB, der Regionalverkehr Bern-Solothurn (RBS) und die Stadt Bern am Mittwoch vor den Medien bekannt.
Gemeinsam mit Bund und Kanton arbeiten sie am Grossprojekt «Zukunft Bahnhof Bern». Die 2017 begonnene Erweiterung gilt als dringend nötig, weil der zweitgrösste Bahnhof der Schweiz an seine Grenzen stösst. In den Stosszeiten herrscht grosses Gedränge.
Mit Problemen konfrontiert war bislang vor allem der RBS. Beim Bau seines neuen Tiefbahnhofs unter den SBB-Geleisen kam es mehrfach zu Verzögerungen.
So stiessen die Arbeiter auf ölhaltige Altlasten und Findlinge. Generell erwiesen sich die geologischen Verhältnisse als schwierig. Zum Teil musste man wegen Corona auf dringend benötigtes Material warten.
Enge Verhältnisse
Die Probleme der ersten Bauphase sind vorbei, nun kommen die Arbeiten mit dem Tunnelausbruch gut voran. Doch die verlorene Zeit lässt sich nicht zurückgewinnen: Der RBS-Bahnhof kann nicht Ende 2027 eröffnet werden, sondern erst Mitte 2029.
Das wiederum hat Auswirkungen auf das Projekt der SBB, die eine zusätzliche Personenunterführung und zwei Bahnhofzugänge baut. Denn die beiden Bahnen bauen auf engstem Raum und bei laufendem Bahnbetrieb; ihre Projekte müssen ständig aufeinander abgestimmt werden.
Die SBB gehen neu davon aus, dass sie die neue Unterführung erst Mitte 2028 eröffnen können. Das ist ein Jahr später als vorgesehen.
130 Millionen Mehrkosten
Die Terminverzögerungen wirken sich auf die Kosten aus: Der RBS-Bahnhof dürfte etwa 730 Millionen Franken kosten. Bislang war man von 614 Millionen Franken ausgegangen. Die Ausbauten der SBB werden voraussichtlich 375 Millionen Franken kosten statt 360 Millionen. Die Mehrkosten werden von Bund und Kanton getragen.
Damit die wachsenden Passantenströme bewältigt werden können, ist auch die Stadt Bern gefragt: Sie muss den Verkehr rund um den Bahnhof neu organisieren und eine neue Personenpassage vom Hirschengraben zum Bahnhofzugang Bubenberg bauen. Das Stimmvolk genehmigte dafür 2021 einen Kredit von 112 Millionen Franken.
Zusätzliche Gutachten
Die Projektierung der Verkehrsmassnahmen kommt den Behörden zufolge planmässig voran. Die Planer gehen davon aus, dass auch der Bau der neuen Personenpassage rechtzeitig fertig sein wird.
Bei der Umgestaltung des Hirschengrabens müssen sie allerdings eine Ehrenrunde drehen. Auf sanften Druck der Denkmalpflege werden zusätzliche Gutachten eingeholt, damit das historische Erbe nicht leidet. So soll eine archäologische Expertise klären, wo genau die Tränke lag, die im Boden unter dem Hirschengraben vermutet wird.
Die Gesamtplanung von «Zukunft Bahnhof Bern» sieht weiterhin die gestaffelte Inbetriebnahme der neuen Anlagen vor.
Was fertig ist, wird in Betrieb genommen, so dass die Öffentlichkeit möglichst rasch profitieren kann. Das sei übrigens schon bei den grossen Bahnhofumbauten in den 1960er- und 1970er-Jahren so gewesen, berichteten die Verantwortlichen am Mittwoch.
«Kaffeesatzlesen»
Für den kantonalen Baudirektor Christoph Neuhaus (SVP) ist die Situation «unbefriedigend, aber erklärbar». Er führt sie teilweise auf eine Einsprache zurück, welche den Baustart ihrerseits bereits um zwei Jahre verzögert hatte. Eine Privatperson hatte aufgrund des befürchteten Baustellenlärms den Gang durch die Instanzen angetreten. Bezüglich der Altlasten im Boden unter dem Bahnhof sagt Neuhaus: «Wir wollen ja alle, dass man diese Abfälle rausholt – und den Boden richtig sauber macht.»
Ob die neue Frist bis zur Fertigstellung diesmal eingehalten werden kann? Festlegen mag sich der SVP-Regierungsrat nicht: «Im Moment ist das Kaffeesatzlesen.» Aber man werde alles dafür tun, um einen Teil der verlorenen Zeit wieder aufzuholen.
«Bedauerlich»
Von einer «bedauerlichen» Verzögerung spricht auch die Berner Gemeinderätin Marieke Kruit (SP). Aber bei derart komplexen Grossprojekten könne man eine solche nicht ausschliessen. «Erst recht nicht, wenn die Arbeiten unter derart beschränkten Platzverhältnissen und bei laufendem Bahnbetrieb umgesetzt werden müssen.»
Die von der Denkmalpflege zusätzlich geforderten Gutachten werde die Stadt «selbstverständlich» erstellen lassen, so Kruit weiter. Es sei ganz im Sinne des Gemeinderats, die historischen Anlagen am Hirschengraben bestmöglich zu schützen, wenn am Platz dereinst der neue Bahnhofzugang entsteht. «Die zusätzlichen Gutachten werden uns nicht zuletzt im Bewilligungsverfahren die nötige Sicherheit geben.»
Im letzten März hatten die Stadtberner Stimmberechtigten ebendiesem Bahnhofzugang zugestimmt. Seine Gegner hat er bis heute. Arpad Boa ist Architekt und Städtebauer und Mitglied des Komitees «Rettet den Hirschengraben». Boa hält daran fest: «Der Hirschengraben zwischen Tramschienen, Strassen und Velowegen ist der falsche Ort für den Zugang.» Die Verzögerung sei eine Chance, den Bahnhofausgang Bubenberg städtebaulich und funktional so zu überarbeiten, dass ein würdiges «Ankommen» für den ÖV in Bern möglich werde.
SDA/chh/cef
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