Russischer Justizvertreter drohte einem Journalisten mit dem Tod
Der stellvertretende Chefredaktor der Zeitung «Nowaja Gaseta» ist ausser Landes geflohen, weil er von einem hohen Justizvertreter Todesdrohungen erhalten hatte. Später entschuldigte sich dieser bei der Zeitung.

Die kremlkritische Zeitung «Nowaja Gaseta» und der russische Chefermittler Alexander Bastrykin haben ihren Streit um eine angebliche Morddrohung gegen einen Journalisten des Blattes beigelegt. Bastrykin entschuldigte sich bei einem Treffen mit «Nowaja-Gaseta»-Chefredaktor Dmitri Muratow. Es habe sich um einen «emotionalen Ausbruch» gehandelt, meldete die Nachrichtenagentur Interfax am Donnerstag. Daraufhin sagte Chefredaktor Muratow: «Für mich ist die Sache erledigt.» Sein aus Angst ins Ausland geflohener Stellvertreter Sergej Sokolow werde schon bald nach Moskau zurückkehren.
Der stellvertretende Chefredaktor der kremlkritischen Zeitung war nach deren Angaben wegen Todesdrohungen eines hohen Justizvertreters ins Ausland geflohen. Die Zeitung hatte migeteilt, der Chefermittler Alexander Bastrykin habe Sergej Sokolow wegen eines kritischen Artikels mit dem Tod bedroht. Für die Zeitung arbeitete auch die 2006 in Moskau erschossene Journalistin Anna Politkowskaja.
Chefredaktor Dimitri Muratow schrieb in einem offenen Brief an Bastrykin, Leiter des für Schwerverbrechen zuständigen Ermittlungsausschusses bei der Generalstaatsanwaltschaft, dieser habe Sokolows Leben «brutal bedroht». «Sie haben sogar gewitzelt, Sie würden dann selbst den (Mord-)Fall untersuchen.»
In einen Wald gefahren und bedroht
Sokolow war laut seinem Chef am Montag zusammen mit Bastrykin ausserhalb Moskaus unterwegs gewesen. Nach der Rückkehr in die Hauptstadt hätten «Sicherheitsbeamte Sokolow in ein Auto gesteckt und ihn in einen Wald in der Moskauer Region gefahren». Dort habe Bastrykin ihn dann mit dem Tode bedroht.
Auslöser des Streits war laut Muratow ein Artikel Sokolows vom 4. Juni. In diesem beschuldigte er Bastrykin, einen Mann nur mit einer Geldbusse bestraft zu haben, der 2010 einen Mehrfach-Mord vertuschen wollte. Damals waren zwölf Menschen, darunter mehrere Kinder, in der südrussischen Ortschaft Kuschtschewskaja getötet worden.
Der Ermittlungsausschuss wollte sich auf Anfrage zu dem Fall nicht äussern. Fünf Journalisten, die vor dem Sitz des Ermittlungsausschusses in Moskau an einer Protestkundgebung teilnahmen, wurden am Mittwochnachmittag festgenommen. Bei vier von ihnen handelte es sich um Mitarbeiter des Radiosenders Moskauer Echo.
«Keine Zeit, mich in der Natur aufzuhalten»
Der russische Chefermittler Bastrykin derweil hat alle Vorwürfe zurückgewiesen. Er habe den stellvertretenden Chefredakteur der kremlkritischen Zeitung «Nowaja Gaseta» nie bedroht. Derlei Vorwürfe seien «Wahnvorstellungen», erklärte Bastrykin in einem heute veröffentlichen Interview in der kremlnahen Zeitung «Iswestija».
«Ich war schon seit Jahren nicht mehr im Wald, ich weiss gar nicht mehr wie lange. Meine Arbeit lässt mir gar keine Zeit, mich in der Natur aufzuhalten», sagte Bastrykin, der einer Behörde in Russland vorsteht, die mit der US-Bundespolizei FBI vergleichbar ist.
«Verkommene Justiz»
In Deutschland kritisierten die Grünen den Vorgang scharf. Deren Sprecherin für Osteuropapolitik, Marieluise Beck, erklärte, die schlechten Nachrichten aus Russland hörten nicht auf. «Wie lange will die Bundesregierung Russland mit einer derart verkommenen Justiz weiter als strategischen Partner bezeichnen?», fragte Beck.
Investigativer Journalismus
Die «Nowaja Gaseta» gehört dem Finanzinvestor Alexander Lebedew und dem letzten sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow. Die Zeitung ist für ihre investigativen Berichte und ihre harte Kritik an Präsident Wladimir Putin bekannt. Die getötete Politkowskaja gehörte zu den wenigen Journalisten, die über Menschenrechtsverstösse während des Tschetschenien-Krieges berichtete. Die Arbeit der Ermittlungsbehörden im Fall Politkowskaja wurde international scharf kritisiert, ihnen wurde ein mangelnder Aufklärungswille vorgeworfen. Bis heute sind die Drahtzieher des Mordes nicht ermittelt.
Einen Tag nach den Massenprotesten gegen Putin lud die Ermittlungsbehörde den Linkspolitiker Sergej Udalzow und den Anti-Korruptionsblogger Alexej Nawalny vor. Nach Behördenangaben ging es um die Rolle der beiden Regierungsgegner bei den gewalttätigen Protesten am 7. Mai, dem Tag von Putins Amtseinführung. Am Montag waren die Wohnungen der beiden Protestanführer durchsucht worden.
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