«Wenn Russland etwas charmanter, attraktiver wäre ...»
Zum Gipfelauftakt in Riga versucht EU-Ratspräsident Tusk die fragile Ostpartnerschaft zusammenzuhalten. Seine Aussage ist klar: Finger weg von Russland.

Beim Ostpartnerschaftsgipfel in Riga hat EU-Ratspräsident Donald Tusk die sechs früheren Sowjetrepubliken eindringlich zur Abgrenzung von Russland aufgerufen. Von einem Rückfall in den Orbit Moskaus anstelle einer Vertiefung der Beziehungen zum Westen hätten sie wenig zu gewinnen, sagte Tusk zum Auftakt des zweitägigen Treffens in der lettischen Hauptstadt. Zugleich übte er scharfe Kritik an Moskau.
Klare Worte an die Adresse Russlands: Tusk mit einem Statement bei der Ankunft am Gipfel in Riga (englisch). (21. Mai 2015, Quelle: Donald Tusk/Youtube)
«Die Ostpartnerschaft ist kein Schönheitswettbewerb zwischen Russland und der EU», erklärte Tusk. «Aber ganz offen gestanden: Schönheit zählt. Wenn Russland etwas weicher, charmanter, attraktiver wäre, müsste es seine Unzulänglichkeiten vielleicht nicht mit destruktivem, aggressivem und schikanierendem Taktiken gegenüber seinen Nachbarn kompensieren», fügte er hinzu.
Bundeskanzlerin Angela Merkel schlug in eine ähnliche Kerbe. Im Gegensatz zu Russland akzeptiere die EU die Unterschiedlichkeit der Mitglieder der Ostpartnerschaft und deren eigene Wege, sagte sie.
Zwischen der EU und der Ukraine, Georgien, Moldawien, Aserbeidschan, Armenien und Weissrussland besteht seit dem Jahr 2009 eine Östliche Partnerschaft. Der Ukraine-Konflikt hat das Programm stark belastet.
Das versprach die EU dem Osten
- Weitere 1,8 Milliarden Euro Kredit für die Ukraine. Bedingung für das frische Geld sind Wirtschaftsreformen und der Kampf gegen Korruption. Die ukrainische Wirtschaft ist wegen des Kriegs im industrialisierten Osten des Landes binnen eines Jahres um knapp 18 Prozent geschrumpft.
- Die EU versprach darüber hinaus 200 Millionen Euro Fördermittel für kleine und mittelgrosse Unternehmen in der Ukraine, Georgien und Moldau.
- Georgier und Ukrainer sollen zudem einfacher Visa bekommen
Ukraine-Krieg als Zerreisprobe
Den ersten grossen Rückschlag musste die Partnerschaft hinnehmen, als vor anderthalb Jahren der damalige ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch ein unterschriftsreifes Assoziierungsabkommen mit der EU platzen liess und sich stattdessen dem Kreml zuwandte.
Nach dem Sturz Janukowitschs näherte sich die neue ukrainische Führung wieder an Brüssel an, zahlte dafür aber einen hohen Preis: Russland annektierte die Halbinsel Krim, grosse Teile der Ostukraine versanken in einen Konflikt zwischen prorussischen Separatisten und Regierungstruppen. Die Ukraine befindet sich im wirtschaftlichen Niedergang.
Die Regierung in Kiew, Georgien und Moldawien machen sich Hoffnungen auf einen EU-Beitritt, doch viele EU-Länder sehen die Bestrebungen skeptisch. Auch Merkel warnte am Donnerstag davor, bei den Gesprächen mit den östlichen Partnern falsche Erwartungen zu wecken. So sei die östliche Partnerschaft kein Instrument der EU-Erweiterung, sondern ein Instrument zur Annäherung an die EU, betonte sie.
Moskau spielt Bedeutung herunter
Als Herausforderungen für eine engere Bande an Brüssel betrachten Beobachter jedoch die Justizsysteme, ökonomischen Strukturen und die Korruption in den jeweiligen östlichen Ländern. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko versicherte, dass sein Land für den Kampf gegen Korruption bereit sei und auch das Investitionsklima verbessern wolle.
Der Gipfel in Riga sei ein «Bekenntnis zur östlichen Partnerschaft», sagte Donald Tusk nach dem zweitägigen Treffen. Doch nebst den schönen Worten gab es keine konkreten Zusagen der EU an die sechs Ost-Staaten. Man wollte Moskau nicht provozieren. Es sind vor allem Georgien, Moldawien und die Ukraine, die vom Treffen enttäuscht sein dürften. «Niemand hat versprochen, dass die östliche Partnerschaft automatisch ein Weg zur EU-Mitgliedschaft ist», sagte Tusk in Riga.
Denn vor Gipfelbeginn hatte die Ukraine eine klare EU-Beitrittsperspektive von der EU gefordert. Man wolle in Riga die konkrete Zusicherung erhalten, «dass die Ukraine die Chance hat, in Zukunft Beitrittskandidat zu werden», sagte der ukrainische Aussenminister Pawel Klimkin in einem Interview in der «Welt». Sein Land brauche dringend eine europäische Perspektive. Doch dies erhielt keiner der Staaten. In der gemeinsamen Schlusserklärung steht lediglich, die Gipfelteilnehmer würden «die europäischen Bestrebungen und die Entscheidung für Europa» der betreffenden Partner anerkennen.
Visafreie Einreise in Aussicht gestellt
Auch bei der Visafreiheit gehen die Zugeständnisse weniger weit wie von den Ukrainern und den Georgiern erhofft. Die EU stellt ihnen eine visafreie Einreise ab 2016 lediglich in Aussicht. Für die endgültige Zusage verlangt sie jedoch weitere Reformen, deren Fortschritte die EU-Kommission vor Jahresende zu evaluieren hat. Für die beiden Ex-Sowjetstaaten ist diese Visaliberalisierung jedoch wichtig, da sie sich davon eine verstärkte Zustimmung ihrer Bevölkerung für den eingeschlagenen prowestlichen Kurs erhoffen. Somit verfügt Moldawien als einziges Land der Ost-Partnerschaft über eine EU-Visafreiheit.
Wichtiger Grund, warum die EU diesen zögerlichen Kurs gegenüber den östlichen Partnern fährt, dürfte die äusserst angespannte Situation mit Russland sein. Unter keinen Umständen wollte man Moskau weiter verärgern. Denn der letzte EU-Ost-Gipfel vor knapp zwei Jahren im litauischen Vilnius gilt als Auslöser für den Ukraine-Russland-Konflikt.
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