Bundesrat will Staatstrojaner teilweise erlauben
Die Schweizer Strafverfolgungsbehörden sollen laut Bundesrat die umstrittenen Staatstrojaner zur Computerüberwachung einsetzen dürfen. Dies trotz heftigster Kritik in der Vernehmlassung.

Die umstrittenen Trojaner sollen in der Schweiz zur Überwachung von verschlüsselten Internet-Telefongesprächen und E-Mail erlaubt sein. Der Bundesrat will der Polizei den Einsatz der Spionage-Software in Verfahren zu schweren Straftaten ermöglichen.
Die Überwachungsprogramme werden heimlich in Computer eingeführt und erlauben so den Strafverfolgungsbehörden, den Computer eines Verdächtigen auszuspionieren. Trotz umstrittener Rechtslage haben der Bund (vier Fälle) und mehrere Kantone in der Vergangenheit «Staatstrojaner» eingesetzt.
Heute entschied der Bundesrat nun, die Unsicherheit zu beheben – und die Trojaner zu erlauben. Diesem Richtungsentscheid soll im kommenden Jahr ein Gesetzesentwurf folgen, wie Justizministerin Simonetta Sommaruga am Mittwoch sagte.
Analog verdeckter Ermittlung
Um das Image des «Schnüffelstaats» zu vermeiden, will der Bundesrat dem Einsatz enge Grenzen setzen. Erlaubt sein sollen die nach dem trojanischen Pferd aus der griechischen Mythologie benannten Programme nur bei besonders schweren Delikten, bei denen die verdeckte Ermittlung zulässig ist.
Dazu gehören Mord, Vergewaltigung oder Entführung, nicht aber beispielsweise Drogenhandel. Ein Staatsanwalt muss eine solche Massnahme anordnen und ein Zwangsmassnahmegericht sie genehmigen.
Computer-Mikrofone manipulieren verboten
Die Strafverfolgungsbehörden dürfen zudem die technischen Möglichkeiten der Trojaner nicht voll ausschöpfen. Polizisten sollen ausschliesslich die verschlüsselte Kommunikation von Tatverdächtigen über Internet-Telefondienste wie Skype mithören oder verschlüsselte E-Mails mitlesen.
Nicht erlaubt ist es, mit Hilfe eines Trojaners eine Computer- Festplatte zu durchsuchen oder Computer-Mikrofone und -Kameras so zu manipulieren, dass diese zu Abhör-Wanzen oder Überwachungskameras für ganze Räume werden.
Gegen rechtsfreien Raum
«Wir dürfen die verschlüsselte Kommunikation nicht den Kriminellen überlassen», sagte Sommaruga und begründete damit den bundesrätlichen Entscheid für den Trojaner-Einsatz trotz harscher Kritik in der Vernehmlassung. Mit herkömmlichen Methoden sei es nicht möglich, die verschlüsselte Kommunikation zu überwachen.
Die Vernehmlassung zur Revision des Gesetzes zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) lief bereits im Sommer vor einem Jahr ab. Damals liessen die Parteien und IT-Branchenverbände kaum ein gutes Haar am Entwurf. Die Bedenken waren hauptsächlich rechtsstaatlicher Natur: Mit Trojanern lassen sich auch Computer kontrollieren und manipulieren.
Ungeklärt bleibt, ob der Einsatz von Trojanern in Strafverfahren heute erlaubt ist oder nicht. EJPD-Generalsekretär Matthias Ramsauer verwies auf die umstrittene Rechtslage, heute liessen es die Gerichte zu, es gebe aber kein Bundesgerichtsentscheid. Nicht zulässig ist jedenfalls der Einsatz zur Prävention.
Vorerst Verordnungen
Einzelne Fragen zur Überwachung regelt der Bundesrat vorerst mit Verordnungsänderungen. Sommaruga räumte ein, dass es «unüblich» sei, Verordnungen anzupassen, bevor das zugehörige Gesetz verabschiedet worden sei. Das Vorgehen sei aber nötig, damit die Lücken in der Überwachung nicht grösser würden.
Mit der Anpassung reagiert der Bundesrat auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das die Verordnungen zum BÜPF als zu wenig präzis gerügt hat. Bisher war der Bund laut Sommaruga auf den guten Willen der Provider angewiesen.
Bundesrat krebst zurück
Hintergrund ist dabei die Frage, wer die teuren Überwachungsanlagen bezahlen soll. Gegen den Widerstand der Provider hält der Bundesrat nun fest, dass diese dafür selbst aufkommen müssen. Sie erhalten nur für die Durchführung von Überwachungen eine Entschädigung. Sommaruga stellte eine Klärung bei der Gesetzesrevision in Aussicht.
Dagegen krebste die Regierung gegenüber ihrem Entwurf vom Sommer in der Frage zurück, wer zur Ermöglichung der Überwachung verpflichtet werden darf. Dies soll lediglich Provider betreffen, die einen Internetzugang anbieten, nicht aber Anbieter von Chats oder Communitydiensten wie Facebook.
SDA/sam
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