Das etwas andere Golfspiel
Betonboden und Lagerhallen statt des gepflegten Rasens: In Deisswil fanden am Sonntag die Schweizer Meisterschaften im Urban Golf statt. Die junge Sportart ähnelt dem klassischen Golf – unterscheidet sich aber dennoch stark davon.
Das gelbe Klappschild mit dem Piktogramm kommt im Normalfall zum Einsatz, wenn der Boden nach einer Reinigung rutschig ist. Nicht so dasjenige, welches am Sonntag bei der Zufahrt zur ehemaligen Kartonfabrik in Deisswil aufgestellt war. «Vorsicht, fliegende Bälle!» stand darauf geschrieben.
Auf dem gesamten Industrieareal fand die Schweizer Meisterschaft im Urban Golf statt – drinnen wie draussen, eine Bahn ging gar über zwei Etagen. Wer den Schauplatz betrat, musste sich also in Acht nehmen, wobei die Bälle dreimal leichter sind als herkömmliche Golfbälle. Die Gefahr von Verletzungen und Sachschaden hält sich somit in Grenzen.
Spezialisten sind gefragt
«So schaffst du es aber nicht unter die besten zwölf», sagt ein Teilnehmer auf Bahn 1 zu seiner Konkurrentin. Die Angesprochene lacht und entgegnet: «Ich will doch nur nicht Letzte werden.» Die 59 Teilnehmenden nehmen Fehlschläge mit Humor, Sprüche fallen. Die Stimmung ist heiter, Musik dröhnt aus Boxen in den Standtaschen.
Trotzdem drehen sich die Gespräche meist um Schlagtechnik, Taktik und das Regelwerk. Denn obschon der Spass am Spiel Priorität hat: Es steht einiges auf dem Spiel. Die ersten zwölf der Rangliste bilden gemeinsam die Schweizer Nationalmannschaft und nehmen im September an der Europameisterschaft in Prag teil.
Der Titel des Schweizer Meisters geht an den Winterthurer Samuel Steiner. Der 30-Jährige spielt seit eineinhalb Jahren regelmässig Urban Golf, Erfahrung auf dem Green hat er hingegen keine. Eine solche kann zwar hilfreich sein, Parallelen zwischen den beiden Varianten sind durchaus vorhanden. So ist das Distanzgefühl beim Abschlag ebenso wichtig wie die Präzision beim Putten.
Die neun Bahnen, maximal hundert Meter lang, verlangen aber eine Kombination verschiedenster Fertigkeiten. «Es zahlt sich aus, das Gelände vorgängig zu besichtigen», hält Steiner fest. Spezialisten wie er werden die Schweiz an der EM vertreten. Die Handicap-Golfer schafften es am Sonntag hingegen nicht auf die vordersten Plätze.
Jung und niederschwellig
Das Terrain muss genau so bespielt werden, wie es vorgefunden wird, also mitsamt allen Hindernissen. Als besonders tückisch erweisen sich die Eisenbahnschienen, die früher für Warenlieferungen der Fabrik zum Einsatz kamen. «Man muss sich jeder Umgebung anpassen, das ist das Coole an unserem Sport», sagt Didi Keller, der Präsident des Dachverbands aller Urban-Golf-Vereine in der Schweiz.
Noch ist die Szene vorab in den Kantonen Zürich, St. Gallen und Thurgau zu Hause. Keller möchte Urban Golf aber weiterverbreiten, unter anderem in der Region Bern. Dank seinem Engagement wird ein Teil der Deisswiler Anlage ab Mitte Mai öffentlich zugänglich und zum Spiel freigegeben sein.
Der Sport soll möglichst allen zugänglich sein. So kostet die Mitgliedschaft im Royal Urban Golf Club aus Frauenfeld pro Jahr 99 Franken. «Wir wollen niemanden davon abhalten, bei uns mitzumachen», betont Didi Keller. Die tiefen Zutrittsschranken stehen den stark limitierten und teuren Plätzen in klassischen Golfclubs gegenüber.
Keller weicht dem Vergleich aus, «wir sind eine komplett andere Sportart.» Dennoch wirkt die junge Urban-Golf-Szene wie eine Antithese zum feinen, gepflegten Golfsport.
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