Schwere Covid-19-ErkrankungDas Virus erwischte Peter Hegglin kalt
Er glaubte, Sport und eine gesunde Ernährung seien das beste Rezept gegen Corona. Heute sagt der Zuger Ständerat: «Ich war noch keiner Erkrankung so ausgeliefert.»

Zuerst erhielt er zwei Liter Sauerstoff pro Minute. Dann vier, sechs, acht.
In einem eindrücklichen Video erzählt der Zuger Ständerat und ehemalige Bundesratskandidat Peter Hegglin dem Onlineportal «20 Minuten», wie er im Juni an Covid erkrankte und sechs Tage auf der Intensivstation lag.
Der Mitte-Politiker gibt unumwunden zu, das Virus unterschätzt zu haben. «Ich war noch keiner Erkrankung so ausgeliefert. Ich lag im Bett und war auf Sauerstoff angewiesen. Auch wenn ich mir im Kopf gesagt hätte: Ich stehe jetzt auf und gehe arbeiten – es wäre nicht gegangen.»
Die Erzählungen des 60-Jährigen machen deutlich: Das Virus hat etwas mit ihm gemacht. Als Politiker und als Privatmann.
«Plötzlich fand ich mich am Boden wieder.»
Im März dieses Jahres schrieb Hegglin in einer Kolumne, die volkswirtschaftlichen Schäden durch die Corona-Einschränkungen seien «immens». «So kann es nicht weitergehen. Wir werden lernen müssen, mit dem Virus zu leben.» Hegglins Vorschlag bestand darin, die Bevölkerung zu einem gesunden Lebensstil zu animieren.
Kaum drei Monate später erwischte es ihn selber. «Zuerst konnte ich fast nicht glauben, dass ich an Covid erkrankt sein soll», so Hegglin im Video. Noch immer schwingt etwas Erstauntes mit in seiner Stimme. Er sei sehr sportlich, habe keine Vorerkrankungen. Zudem habe er geglaubt, die Krankheit schon im Zuge der ersten Pandemiewelle durchgemacht zu haben.
Trotz Fieber wollte er zunächst nicht zum Arzt. Seine Tochter sollte am Wochenende heiraten, er wollte sie zum Altar führen. Dass er ins Spital musste, gestand sich der Politiker erst ein, als ihn bei der morgendlichen Rasur ein Schwindel erfasste. «Plötzlich fand ich mich am Boden wieder», führt er im Gespräch mit dieser Redaktion aus.
Im Krankenhaus dann sei er immer kränker und kränker geworden. Lethargisch sei er gewesen, «es interessierte mich nicht mehr viel». Er habe nie im Koma gelegen, sei aber ein-, zweimal knapp an einer Intubation vorbeigeschrammt. Bereits habe man ihm kein Frühstück mehr serviert– «es ist nicht gut, wenn man mit vollem Magen an die Maschinen angeschlossen wird».
Doch dann ging es aufwärts. Sauerstoff, Kortison und Remdesivir sei Dank. Auch die gute Behandlung durch die Ärzte und das Pflegpersonal will Hegglin nicht unerwähnt lassen. Er habe sich viel schneller erholt als erhofft.
Heute fühlt er sich gesund. Sein Leben führt er nach dem erzwungenen «Break» bewusster. «Wenn ein Monat lang gar nichts mehr geht, dann fragt man sich schon: Was mach ich jetzt?» Also versucht er, den Stress im Alltag so gut als möglich zu reduzieren, nimmt vorerst keine neuen Mandate mehr an.
Leute nicht «kopfscheu» machen
Und politisch? «Dass so rasch wieder Grossveranstaltungen zugelassen werden, sehe ich kritisch», sagt der Zuger. Allerdings bleibe er seiner Forderung nach einer Corona-Politik mit Augenmass treu. Die immer grelleren Warnungen machten die Leute nur «kopfscheu», ist der Alt-Regierungsrat überzeugt. «Wir brauchen so viele Regeln wie nötig, aber so wenige wie möglich.»
Hegglin war nicht geimpft, als ihn das Coronavirus erwischte. Ob er eine Auffrischungsimpfung macht, sobald dies für ihn als Genesenen empfohlen ist, lässt er noch offen. Er sei in der Landwirtschaft aufgewachsen: Dort seien schon viele Mittel zugelassen und dann wieder verboten worden, entsprechend müsse man die Vor- und Nachteile abwägen. «Auf jeden Fall ist es falsch, Druck auf diejenigen ausüben zu wollen, die sich gegen eine Impfung entscheiden.»
Am Wochenende war Hegglin erstmals wieder joggen. Und: Er durfte seine Tochter doch noch zum Altar führen. Die Hochzeit wurde verschoben – nicht nur dem Brautvater zuliebe, sondern weil das Virus fast gleichzeitig auch Braut und Bräutigam erwischte.
Jacqueline Büchi ist Autorin im Inlandressort und Mitglied der Tagesleitung der Redaktion Tamedia. Schwerpunkt ihrer Berichterstattung ist die Gesundheits- und Gesellschaftspolitik. Sie startete 2008 als Radiojournalistin und durchlief seither verschiedene Stationen bei Medien im In- und Ausland.
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