Telegram-Gründer Pawel DurowDer «russische Zuckerberg», der sich mit Putin anlegt
Whatsapp-Konkurrent Telegram will dank neuer kostenpflichtiger Angebote wachsen. Hinter der App steckt ein Unternehmer, der Moskaus Einschüchterungsversuche selbst erfahren hat.

Gerüchte gibt es schon lange, jetzt hat sie der russische Telegram-Gründer Pawel Durow selbst bestätigt. Das Konkurrenzangebot zum Nachrichtendienst Whatsapp soll noch im Juni in Teilen zahlungspflichtig werden. Zahlende Kundschaft soll künftig grössere Dateien versenden, Nachrichten diktieren und Inhalte schneller runterladen können.
Das kündigte der 37-Jährige – wie könnte es anders sein? – im eigenen Telegram-Kanal an. «Alle bestehenden Funktionen bleiben kostenlos», schreibt der Unternehmer, der in Anspielung an den Facebook-Gründer den Spitznamen «russischer Mark Zuckerberg» trägt.
Durow begründet die Einführung der kostenpflichtigen Inhalte damit, dass Telegram zwar ein umfangreiches Gratisangebot habe. Eine Weiterentwicklung sei aber nur möglich, wenn Nutzerinnen und Nutzer dafür bezahlen.

Bis zum angestrebten Wachstum mit Telegram war es für Durow ein langer Weg, der ihn in Konflikt mit dem Regime des russischen Präsidenten Wladimir Putin brachte. Seine Laufbahn als Unternehmer begann Durow im Jahr 2006, als er in Russland das soziale Netzwerk Vkontakte gründete.
Das Angebot sorgte zunächst für Anerkennung: Er wurde als «Russlands grösster prominenter Unternehmer» bekannt. Aber es brachte auch politischen Ärger mit sich. Durow wehrte sich gegen Forderungen des Kreml, Zugriff auf Vkontakte-Daten von ukrainischen Regimekritikern zu gewähren. Durow macht darin den Grund aus, warum er im April 2014 als Firmenchef von Vkontakte entlassen wurde.
Sondereinheit vor der Haustür
Durow sah sich sogar gezwungen, später in jenem Jahr Moskau zu verlassen. Die Polizei hatte eine Sondereinheit zu seinem Haus geschickt, um ihn einzuschüchtern.
Dieser Vorfall gilt als Initialzündung für Telegram. Ihm sei während der bangen Momente klar geworden, dass er einen geheimen Kanal brauche, um mit seinem Bruder zu kommunizieren, so Durow. Also schuf er 2013 zusammen mit seinem Bruder Nikolai die entsprechende App.
Das Unternehmen trägt zum grössten Teil zu Durows Vermögen bei. Das Wirtschaftsmagazin «Forbes» schätzt es auf 15,1 Milliarden Dollar.
Trotz des Erfolgs hielt das Zerwürfnis mit dem Kreml an. 2018 wurde Telegram in Russland verboten, nachdem Durow dem Regime erneut den Zugang zu Nutzerdaten verweigert hatte. Als Reaktion auf das Verbot protestierten Hunderte von Menschen in St. Petersburg. Einige von ihnen hielten Schilder hoch, auf denen Durow als Heiliger abgebildet war. Zwei Jahre später wurde die App in Russland wieder zugelassen.
Heute spielt Telegram eine wichtige Rolle im Krieg in der Ukraine. Der Dienst ist im kriegsversehrten Land sehr beliebt. Nicht nur wendet sich darüber Präsident Wolodimir Selenski an sein Volk. Darüber kommunizieren Familien und Freunde. Darüber werden Nachrichten verbreitet. Und darüber organisiert sich der nationale Widerstand.
Weltweit umfasst das Netzwerk über 500 Millionen aktive Nutzerinnen und Nutzer. Sein Wert wird auf 30 Milliarden Dollar geschätzt.
Durow ist sich der Bedeutung von Telegram in der Ukraine bewusst. Er schwor öffentlich, die Daten ukrainischer Anwenderinnen und Anwender zu schützen. Mütterlicherseits ist er selber ukrainischer Abstammung. «Ich stehe für unsere Nutzer ein, egal was passiert. Ihr Recht auf Privatsphäre ist heilig», schrieb Durow.
Flüchtling und Weltbürger
Die Flucht aus Moskau zwang den Telegram-Gründer, zum Weltbürger zu werden. 2017 zog er nach Dubai und verlegte den Sitz von Telegram in ein Büro in der Freihandelszone Media City. Zuvor war das Unternehmen in Berlin ansässig gewesen.
Bereits 2014 erhielt Durow den Pass des karibischen Inselstaats St. Kitts und Nevis, weil er dort 250’000 Dollar in die Zuckerindustrie investierte. Seit 2021 ist der gebürtige Russe ausserdem französischer Staatsbürger.
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