SC Bern - KlotenDer SCB-Trainer spricht Klartext
Der SC Bern lässt sich von Aufsteiger Kloten vorführen. Coach Johan Lundskog sagt: «Es wurde nur noch schlechter und schlechter.»

Es läuft die 55. Minute im Match zwischen dem SC Bern und dem EHC Kloten, und in der Postfinance-Arena wird das Lied «Unfassbar» von Jürgen Drews eingespielt. Der Titel des Songs passt bestens zum Geschehen auf dem Eis. Unfassbar, der Aufsteiger führt zu diesem Zeitpunkt gegen den favorisierten Gastgeber 5:1. Unfassbar, die klare Führung ist keineswegs unverdient. Unfassbar, wie viele haarsträubende Fehler sich die Berner im Verlauf der Partie geleistet haben. Das Unheil nahm seinen Lauf, als sich Goalie Daniel Manzato in der 9. Minute in Überzahl von einem an sich harmlosen Backhand-Schuss aus spitzem Winkel bezwingen liess. Und nach dem 1:2 kurz nach der ersten Pause passte beim SCB rein gar nichts mehr zusammen; das Defensivverhalten war zuweilen eines 1.-Liga-Teams unwürdig.
«Es wurde nur noch schlechter»
«Unfassbar» ist ein Liebeslied, doch als der SCB-Cheftrainer gut 20 Minuten nach der Schlusssirene Rede und Antwort steht, sagt er mit Galgenhumor: «Ich war während der ganzen 60 Minuten nicht wirklich in mein Team verliebt.» Der Schwede versucht nach der bitteren 2:5-Niederlage nichts zu beschönigen, sondern spricht Klartext: «Wir begannen nicht mit der nötigen Entschlossenheit, und es wurde nur noch schlechter und schlechter.» Und: «Wir kämpften zu wenig, wir agierten zu wenig physisch, und strukturell fielen wir völlig auseinander.»

Die Klotener hätten bei den Gegentoren mit einer Aktion jeweils gleich zwei Spieler übertölpelt, sagt Lundskog. Bei dieser Aussage muss er zum Beispiel ans 1:3 gedacht haben. Jonathan Ang liess mit einer Finte sowohl den sechsfachen Schweizer Meister Beat Gerber als auch den Nationalspieler Joël Vermin aussteigen. Angs Pass verwertete der vom langjährigen NHL-Profi Sven Bärtschi sträflich allein gelassene Marc Marchon souverän. Unfassbar, derartige Aktionen mit Fehlverhalten gleich mehrerer Mutzen gab es noch und noch. Hätte der nach dem 1:4 für Manzato eingewechselte Philip Wüthrich nicht mehrere Glanzparaden gezeigt, wäre der SCB nicht um eine Kanterniederlage herumgekommen – gegen den Aufsteiger, notabene.
Garderobentür bleibt lange zu
«Während ich hier mit Ihnen spreche, sitzen die Jungs in der Garderobe, schauen sich in die Augen und diskutieren, was passiert ist. Ich stosse gleich dazu, und dann werden wir der Sache gemeinsam auf den Grund gehen», sagt Lundskog im «Bäregrabe», wie die Zone zwischen den beiden Garderobentrakten heisst. Es dürften hinter geschlossener Tür auch nicht druckreife Worte gefallen sein. Jedenfalls dauert es lange, bis sich mit Joshua Fahrni und Ramon Untersander auch zwei Spieler den Medienvertretern stellen.
Untersander will keine Details zu den Vorgängen in der Kabine verraten. «Aber wenn man daheim 2:5 untergeht, ist die Stimmung nie gut. Das ist nicht unser Anspruch; wir wollen unseren Fans etwas ganz anderes zeigen.» Er stellt fest, es sei nicht zum ersten Mal vorgekommen, dass die Mannschaft im zweiten Drittel den Faden verloren habe. Einen Grund kann der Verteidiger indes nicht nennen. Genauso wenig, wie er erklären kann, dass Bern gegen die drei am schwächsten besetzten Teams (Ajoie, Kloten, SCL Tigers) in vier Partien nur drei Punkte geholt hat. «Wenn ich es wüsste, würde es nicht passieren.»

Gegen Ajoie unter Druck
Auch Untersander sucht keine Ausflüchte. Er habe seine Leistung nicht gebracht, «schlecht, ja sehr schlecht gespielt». Zudem sorgte er dafür, dass die Schiedsrichter nach Spielschluss die TV-Aufnahmen kontrollieren mussten. Sie sprachen schliesslich eine 5-Minuten-Strafe und eine Spieldauer-Disziplinarstrafe für einen Stockschlag aus. «Das war blöd von mir», gibt der zweimalige Olympiateilnehmer zu. Dass sich ein solch erfahrener und sehr fairer Akteur (zuvor in 16 Spielen nur 4 Strafminuten) zu einer derartigen Aktion hinreissen lässt, sagt einiges über den Frustrationsgrad im Berner Ensemble aus.
Der SCB befindet sich am Scheideweg. Wenn die Mutzen aus dem Debakel gegen Kloten die richtigen Schlüsse ziehen und künftig in der Lage sind, gegen Mannschaften mit deutlich weniger Talent Pflichtsiege einzufahren, werden sie die direkte Playoff-Qualifikation schaffen – das Potenzial ist vorhanden. Sollten sich indes solche Leistungen häufen, wird Bern rasch den Anschluss und die Gunst vieler Fans verlieren. Gegen Kloten wurde die Equipe mehrfach ausgepfiffen.
«Wir wissen, wie wir auftreten müssen. Das haben wir schon in vielen Matches gezeigt», sagt Coach Lundskog. Diesen Worten müssen Taten folgen, und zwar schon am Dienstag gegen Ajoie. Die SCB-Anhänger haben keine Lust, so schnell wieder «Unfassbar» zu hören. Selbst wenn es ein Liebeslied ist.
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