Deshalb!
Das weibliche Geschlecht – zu schlecht? Rund 30 Jahre nach dem ersten Frauenstreik stehen Frauen auf und fordern Gerechtigkeit. Ein Einblick in die Frauenstreikbewegung in Thun im Originalton.


Klimastreik, «gilet jaunes»… Ist der Frauenstreik nur eine Modeerscheinung? «Nein, die feministische Bewegung ist seit ihren Anfängen ununterbrochen in Bewegung und in der Öffentlichkeit aktiv», meint Vera Vuille von der Frauenstreikbewegung Thun-BeO. «Viele wissen nicht, dass schon 1991 Frauen für ihre Rechte landesweit gestreikt haben.
In letzter Zeit ist die feministische Bewegung grösser geworden, die #MeToo-Debatte oder auch die Lohngleichheitsdemo weckten wieder mehr Interesse am Kampf für eine Veränderung», sagt sie. «Als ich vom Frauenstreik gehört habe, postete ich, zuerst unsicher, ob dies in Thun auf breite Resonanz stossen würde, eine Anfrage auf Facebook, wer alles dabei wäre.
Erstaunlicherweise waren viele Frauen an einem Vernetzungstreffen interessiert, und so starteten wir im Januar mit dem Frauenstreik Thun-BeO.»
Dieses Vernetztsein unter Frauen ist ein grosser Wunsch der Mitorganisatorin. Frauen seien oft nicht vernetzt untereinander, weil entsprechende Strukturen nicht bestünden. Das ist auch nicht ganz einfach, da Frauen sehr oft mit Care-Arbeit beschäftigt sind und wenig Zeit haben. «Seit 1991 hat sich in beruflicher Hinsicht viel getan, und die Frauenbewegung hat viele Fortschritte erzielen können», sagt Vera Vuille. «Bundesrätinnen, Nationalrätinnen wurden gewählt, und es gibt top Wirtschaftsfrauen. Aber was nützt es uns, wenn zahllose Frauen weiterhin unter schlechten Bedingungen arbeiten und den grössten Teil der Care-Arbeit unbezahlt erledigen?» Ihnen ginge es auch nicht darum, dasselbe wie Männer erreichen zu müssen. «Wir wollen das System ändern. Wir wollen kein Stück vom verschimmelten Kuchen, wir wollen einen neuen.»
Stellvertretend für die Frauen, die sich in der Bewegung engagieren, haben wir nachstehend fünf Aussagen aufgezeichnet, in denen die Frauen ihre Haltung und Überzeugung schildern:
«Feminismus war und ist eine gesellschaftliche Bewegung
mit dem Ziel, gegen soziale Ungerechtigkeiten anzukämpfen. Dabei geht es nicht nur um Frauenanliegen, sondern um Gerechtigkeit und gegen Diskriminierung allgemein. Die feministische Bewegung ist solidarisch mit allen Menschen, für die die Chancengleichheit nicht gewährleistet ist, sei dies aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe, sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder wegen Beeinträchtigungen. Es geht am Frauenstreik auch darum, das Bewusstsein zu stärken, dass es nach wie vor zahlreiche gesellschaftliche Ungerechtigkeiten gibt, wobei wir auch auf wissenschaftliche Zugänge setzen, um Ungleichheiten sichtbar und bekämpfbar zu machen. Dabei gibt es keine unveränderlichen geschlechtsspezifischen Unterschiede. Weder Frau noch Mann sind von ‹Natur aus› für eine Aufgabe geschaffen. Über die Geschichte hinweg hat sich gezeigt, dass die Gesellschaft je nach sozialer Klasse andere Normen und ‹Normalitäten› in Bezug auf das Familienleben und die Kindererziehung formte.» Vera Vuille, Historikerin, Studentin, Grafikerin
«Erstaunlicherweise waren viele Frauen an einem Vernetzungstreffen interessiert, und so starteten wir im Januar mit dem Frauenstreik Thun-BeO.»
«Die Diskriminierung beginnt da, wo Mädchen auf die Welt kommen.
Es wird ihnen durch die patriarchalischen Strukturen unserer Gesellschaft gezeigt, was sie können, müssen und wie sie sich zu verhalten hätten. An den Stereotypen von ‹Meitschi u Giele› hat sich seit jeher nicht viel geändert. Mich stört, dass wir immer noch in diesen Kategorien denken. Ein Mensch mit Gebärmutter kann nicht automatisch die Kinder besser erziehen als der Elternteil ohne.» Marlene Graber, sozialarbeitende Person
«Eine Frau sollte Kinder haben, aber auch arbeiten gehen,
das sind zu viele Erwartungen, es fehlt an Unterstützung. Ich boxe und rappe, entspreche somit nicht dem Klischee einer Frau und musste mir schon oft diskriminierende Kommentare anhören.» Giulia Bezio, Studierende Soziale Arbeit
«Das überträgt sich auch auf den Beruf:
Nur weil ich keine Kinder habe, wird mir die Fähigkeit, als Logopädin mit Kindern zu arbeiten, abgesprochen. Viele junge Frauen, die sich gegen eine Familiengründung entscheiden, werden nicht ernst genommen und werden in ihrer Entscheidung belächelt.» Brigitta Schmidt, Logopädin
«Wir wollen kein Stück vomverschimmeltenKuchen, wir wollen einen neuen.»
«Frauen werden oft nicht ernst genommen,
auch in der Politik. Die Glaubwürdigkeit ist erst gewährleistet, wenn ein Mann die Aussage bestätigt.» Alice Kropf, Pflegefachfrau HF Psychiatrie
Das Gespräch zeigt: «Mir si no niene punkto Gliichstellig», auch wenn dies im Gesetz so verankert ist. Bei diesen Frauen weckt dieser Umstand das Gefühl der Ungeduld und Wut. Deshalb braucht es den Frauenstreik. Am 14. Juni ist es so weit. Frauen sollen ihre üblichen Arbeiten liegen lassen und streiken gehen, was bedeutet, dass Männer ihre Arbeiten übernehmen müssen.
Lara Siegenthaler (18) besucht den Gymer Thun am Standort Seefeld. Ihre Hobbys sind Singen, Klavier, Natur, Kochen und Freunde.
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