Die Ausländermotion nimmt Fahrt auf
Zwei Jahre lang geschah nichts – jetzt wurde die erste Ausländermotion eingereicht. Bereits hat eine zweite Motion die nötigen Unterschriften beisammen.

Auf einmal ging es schnell: Gestartet wurde die Sammlung für die erste eingereichte Berner Partizipationsmotion erst im Januar, zwei Monate später sind mehr als 270 Unterschriften zusammen, am Donnerstag wurde sie eingereicht. Das macht sie zur ersten «Ausländermotion» überhaupt, die in der Stadt Bern eingereicht wird – zwei Jahre nachdem die Stadt das Instrument einführte.
Die sprachlichen Hürden für eine Anstellung bei Bernmobil sollen gesenkt werden, fordert die Motion. Die Stadt habe sich in die Legislaturrichtlinien geschrieben, sich «für chancengerechten Zugang zu Bildung und Arbeit» einzusetzen, sagt die Erstunterzeichnerin der Motion, Andrea Rodino. Mit der Motion wolle man dafür sorgen, dass diese Verpflichtung auch ernst genommen werde.
Von der Stadt gefördert
Zur Einreichung war nicht nur die für die Intergration zuständige Gemeinderätin Franziska Teuscher (GB) anwesend, die sich «sehr erfreut» zeigte. Das Ratssekretariat des Stadtrates etwa bedachte den Anlass mit einer Medienmitteilung. Es sei ihm ein Anliegen gewesen, darauf hinzuweisen, dass nun die erste Ausländermotion eingereicht werde, sagt Stadtratspräsident Philip Kohli (BDP). «Viele Ausländerinnen und Ausländer wissen nicht, dass es dieses Instrument der Mitbestimmung gibt.» Dementsprechend versuche man mitzuhelfen, es bekannt zu machen.
Auch das Kompetenzzentrum Integration (KI) der Stadt Bern sei bei der Erarbeitung der Motion eine grosse Hilfe gewesen, sagt Carolina Hutmacher, die ebenfalls zur Gruppe der Motionärinnen gehört. Mit Informationen im Internet, per Newsletter oder auch mit Info-Veranstaltungen für interessierte Organisationen nehme man den Auftrag des Gemeinderates wahr, das Instrument zu fördern, sagt Floride Ajvazi vom KI. Inhaltlich allerdings sind die Initiantinnen auf sich gestellt respektive auf das Feedback des Ratsbüros, welches das Anliegen vor dem Start der Unterschriftensammlung prüft.
Die nun eingereichte Motion ist nicht das einzige solche Anliegen derzeit in der Stadt Bern. Bereits seit Ende November sammelt Franco Castrovillari, Vorstandsmitglied der Sektion SP Bern Migranten, gemeinsam mit seiner Partei für eine weitere Ausländermotion. Dass nun seine Motion nicht die erste sei, das sei für ihn nicht relevant. Im Gegenteil, er sei an der Ausarbeitung der Bernmobil-Motion ebenfalls beteiligt gewesen.
«Viele Ausländerinnen und Ausländer wissen nicht, dass es dieses Instrument der Mitbestimmung gibt.»
Und wie geht es «seiner» Motion? Die Unterschriften für ein Haus der Begegnung seien ebenfalls bereits zusammen, sagt Castrovillari. Er gebe sich aber wie vorgesehen noch bis Ende März Zeit, um mit zusätzlichen Unterschriften dem Anliegen zusätzliches Gewicht verleihen zu können. «Wichtig ist, dass etwas in Gang kommt», findet er.
Das scheint zu geschehen: Wie Mitinitiantin Hutmacher sagt, sollen weitere Motionen folgen. Sie arbeitet bei der Organisation Christlicher Friedensdienst (CFD) Bern. Im Rahmen eines Projektes hat die Organisation mit Frauen aus zehn Ländern Bereiche identifiziert, wo diese etwas ändern möchten – und Motionen dazu formuliert. Diese würden bald eingereicht. Die Bernmobil-Motion jedoch sei nicht im Rahmen des CFD entstanden, bei ihrer Arbeit sei ihr aber die Problematik der Sprachhürde immer wieder begegnet, so Hutmacher.
Das Instrument der Ausländermotion geht auf das Engagement der GB-Stadträtin Cristina Anliker-Mansour zurück. Bei einer Abstimmung im Sommer 2015 befürworteten fast 60 Prozent der Stadtberner Stimmenden das Anliegen, seit Ende 2016 ist das Reglement in Kraft. Mit 200 Unterschriften können Migranten dem Gemeinderat ein Anliegen überweisen. Dessen Antwort wird dann im Stadtrat behandelt, der dann auch über die Umsetzung entscheidet. Sie sei überhaupt nicht enttäuscht, dass die Motion erst jetzt zum ersten Mal genutzt werde, sagt Anliker. «Alles braucht seine Zeit.» Ihr sei schon immer klar gewesen, dass die Erwartungen von vielen Seiten zu hoch gewesen seien.
Wichtige Organisationen
Sowohl hinter der Motion zum Haus der Begegnung als auch hinter dem Anliegen zu den Anstellungsbedingungen bei Bernmobil steht eine Organisation: einmal die SP Migranten, einmal der CFD. Braucht es also Organisationen als «Geburtshelfer» solcher Motionen? Natürlich seien diese ein wichtiger Faktor, sagt Anliker. «Es sind die Orte, wo sich die Migranten treffen und organisieren», sagt sie. Obwohl es für eine Ausländermotion eine erstunterzeichnende Person braucht, welche das Anliegen im Stadtrat vertreten muss, heisst das nicht, dass die Motion allein von dieser Person angestossen werden müsse. Hinter «herkömmlichen» Initiativen und Referenden stünden ja meist auch politische Organisationen, so Anliker.
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