Die Elektrowägelchen sind startbereit
Das Bieler Start-up Enuu macht vorwärts: Finanzierung und Pilotversuch sind auf gutem Weg. Im März stellen die Jungunternehmer ihr System in Deutschland und den USA vor. Zuerst startet nun eine Crowdfunding-Kampagne.

Es ist wirklich ganz einfach. Mit dem Drehgriff beschleunigen, mit dem Lenker steuern, mit den Bremshebeln bremsen. Zusätzlich gibt es Blinker und eine Handbremse. Fertig. Das Wägelchen fährt 25 Stundenkilometer, schneller gehts nicht. Der Bremsweg ist kurz, die Lenkung steuert rasch und präzise, Federung und Dämpfung sind – zumindest bei diesem Vorserienmodell – eher straff abgestimmt. Es ist einfacher als Velofahren. In wenigen Monaten soll dies für alle Bielerinnen und Bieler möglich sein, und das erst noch gratis.
Im Mai geht es um Millionen
Möglich macht dies das Team von Enuu. Das von Luca Placi und Yoann Loetscher gegründete Start-up hat zum Ziel, mit einer neuartigen Mobilitätslösung die Städte der Welt zu erobern. Das Unternehmen ist nicht nur daran, ein Leichtelektrizitätsfahrzeug (LEV, Light Electric Vehicle) zu entwickeln, sondern auch das Verleihsystem und das Geschäftsmodell dazu: Den Nutzern steht eine bestimmte Anzahl der Fahrzeuge zur Verfügung, diese können bis zu einer bestimmten Anzahl Fahrten gratis ausgeliehen werden, gesteuert wird das dezentrale System über die entsprechende App, finanziert wird es über Werbung – einerseits an den Fahrzeugen selber, vor allem aber in der App der Nutzer.
Nun benötigen Entwicklung und Vermarktung eines solchen Systems einiges an Kapital. Zwar hat es mit einer auf nachhaltige Mobilitätslösungen spezialisierten Londoner Kapitalgesellschaft Verzögerungen gegeben. Dennoch sagt Placi: «Wir stossen auf internationales Interesse.» Das eigentliche Seed-Funding, bei dem es darum geht, Geld für die weitere Expansion zu sichern, wird im Mai erfolgen, die Diskussionen mit Interessenten verliefen positiv, wie Placi berichtet. Es geht um Millionenbeträge.
Nächsten Monat erfolgt die Umwandlung von Enuu in eine Aktiengesellschaft. Aktionäre werden die beiden Gründer, Unterstützer aus ihrem Umfeld und ab Mai dann die weiteren Investoren sein. Geben Placi und Loetscher bald die Kontrolle über ihre Firma ab? «Im operativen Geschäft geben wir das Steuer nicht aus der Hand», sagt Placi, «und wir wollen auch mindestens bis zur dritten Finanzierungsrunde die Mehrheit halten.»
Umkippen geht nicht
Mittlerweile hat der chinesische Fertigungspartner die ersten drei Fahrzeuge geliefert, die im Pilotversuch zum Einsatz kommen werden. Dieser Tage erfolgt die Integration der Elektronik, danach werden die Fahrzeuge ins Flottenmanagementsystem aufgenommen. Am 7. März soll der sogenannte «technological showcase» bereit sein: ein fahrfertiges LEV, die App, also der ganze Prozess.
Bis zum Start des Pilotversuchs in Biel wird das LEV noch weiter auf Herz und Nieren geprüft. Denn Sicherheitsprobleme in einer so frühen Phase des Unternehmens wären fatal. Ein erster Fahrversuch aber zeigt: Bei verantwortungsvollem Gebrauch – der natürlich die Einhaltung der Verkehrsregeln einschliesst – dürfte die Nutzung von Enuu risikoärmer sein als Velofahren. Die Geschwindigkeit ist begrenzt, und selbst abrupte Lenkmanöver bringen das Fahrzeug dank seines tiefen Schwerpunkts nicht zum Kippen.
Zur Frage, wer mit Enuu fahren darf, laufen Abklärungen mit den entsprechenden Behörden. «Es sieht danach aus, dass jedermann ab 18 Jahren ausweisfrei wird fahren dürfen», sagt Luca Placi. Das Wägelchen ist nur wenig breiter als ein Fahrrad und darf wohl den Velostreifen benutzen.
Keine fixen Stationen
Das genaue Startdatum für den Pilotversuch in Biel ist noch nicht festgelegt. Es wird im dritten Quartal (also zwischen Juli und September) liegen. Der Versuch ist auf zwölf Monate angelegt. Am Versuch teilnehmen und die Fahrzeuge nutzen kann jeder, der das erforderliche Alter erreicht hat, die App herunterlädt und sich damit anmeldet. Diese gibt den Standort jedes verfügbaren Fahrzeugs an. Anders als beim Fahrradverleihsystem Velospot sind keine fixen Stationen nötig.
Berlin, New York, Detroit
Ein halbes Jahr nach dem Start in Biel will Enuu bereits in anderen Städten mit Versuchen beginnen. Nicht nur in der Schweiz – Luca Placi nennt London, Berlin, Singapur und Shanghai als mögliche Orte. Denn es ist das erklärte Ziel von Enuu, international Fuss zu fassen. «Unsere Märkte sind europäische Grossstädte, die USA und Asien», sagt Placi. Bereits im März stellt er Enuu in Berlin, München und London interessierten Investoren vor, danach folgen New York, Detroit und San Francisco.
Bereits ist auch die Autoindustrie auf Enuu aufmerksam geworden. «Wir sind von einem der grössten Zulieferer Deutschlands kontaktiert worden», sagt Placi, «er verfügt zwar über ein schönes Prototyp-Fahrzeug, ist in der Umsetzung aber nicht so weit wie wir.» Die beiden Firmen fassen die Bildung eines Joint Ventures ins Auge. Der Verkauf des Fahrzeugs an Endkunden ist aber nicht das Ziel von Enuu: «Man sollte wegkommen vom Prinzip des Besitzens», sagt Placi.
In diesen Tagen startet Enuu eine Crowdfunding-Kampagne. «Damit verdeutlichen wir Investoren, dass die Menschen unser Projekt wirklich wollen», sagt Placi.
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