Erste AbstimmungsumfrageDie grün-rote Basis lässt ihre Parteispitzen im Stich
Auch dank Stimmen der SP und der Grünen hat die Frontex-Vorlage in der Abstimmung vom 15. Mai gute Chancen. Knapp wird es für die Lex Netflix.

Die Parteispitzen von Grünen und SP lehnen die Schweizer Beteiligung am Ausbau des EU-Grenzschutzes (Frontex) ab und hatten das Referendum dagegen unterstützt. Jetzt zeigt aber die erste repräsentative Umfrage von Tamedia und 20 Minuten: Die Basis beider Parteien stimmt der Vorlage zu, die SP zu 59 Prozent, die Grünen mit 52 Prozent.
Insgesamt wollen derzeit 59 Prozent aller Befragten Ja stimmen. Nur in der SVP lehnt eine knappe Mehrheit von 53 Prozent die Vorlage ab. Die Partei fasst am Samstag an ihrer Delegiertenversammlung die Parole. Dabei treten zwei Parteischwergewichte gegeneinander an: Nationalrätin Barbara Steinemann dafür, Nationalrat Andreas Glarner dagegen.
«Die Umfrage zeigt, wie heterogen die Gegnerschaft zusammengesetzt ist», sagt der Politologe Lucas Leemann, der mit seinem Kollegen Fabio Wasserfallen die Umfragen durchgeführt hat.
Das kommt laut Leemann primär in den Begründungen zum Ausdruck, die Befragte für ein Nein angeben: Dabei schwingt die Aussage obenaus, dass Frontex zu wenige Flüchtende zurückhält. An zweiter Stelle folgt aber bereits das Argument, ein Nein sei ein «Zeichen an die EU», auf Abschreckung an den Grenzen zu verzichten. Die beiden Begründungen widersprechen sich diametral.
Dass sich heute, über einen Monat vor dem Abstimmungstermin, nur ein Drittel gegen den Frontex-Ausbau ausspricht, dürfte laut Leemann auch mit dem Ukraine-Krieg zusammenhängen: «In dieser unsicheren Lage wünscht man sich keine weiteren Risiken, auch im Hinblick auf unser Verhältnis zur EU.»
Bei der Lex Netflix ist alles offen
Für die Befürworter des neuen Filmgesetzes könnte die Abstimmung zur Zitterpartie werden: Die Umfrage zeigt eine hauchdünne Mehrheit von 51 Prozent und einen hohen Anteil an Unentschlossenen.
Das Gesetz verlangt von ausländischen Streamingdiensten wie Netflix eine Abgabe von 4 Prozent auf ihrem Schweizer Umsatz, die der Förderung von einheimischen Filmen zugutekommen soll. Daher der Name Lex Netflix.
Auffällig ist, dass die Zustimmung in der Westschweiz mit 65 Prozent weit höher ist als in der Deutschschweiz mit 46 Prozent. «Das hat vermutlich damit zu tun, dass im benachbarten Frankreich eine grosszügige Unterstützung des einheimischen Films längst etablierte Praxis ist», sagt Politologe Leemann.
Zudem fällt auf, dass die Generation unter 50 mehrheitlich gegen das Gesetz ist, die Älteren sich aber dafür aussprechen. Die bürgerlichen Jungparteien, die das Referendum ergriffen haben, bringen offenbar tatsächlich die Haltung ihrer Klientel zum Ausdruck.
Breite Unterstützung für die Widerspruchslösung
Für das neue Transplantationsgesetz sprechen sich laut der Tamedia-Umfrage 61 Prozent aus, 37 Prozent lehnen die Vorlage ab. Das Gesetz legt fest, dass für eine Organentnahme nach dem Tod keine explizite Zustimmung mehr nötig ist. Es reicht, wenn kein Widerspruch dagegen vorliegt. Sympathisantinnen und Sympathisanten aller Parteien ausser der SVP stimmen der Vorlage zu. Die Zustimmung ist in der jüngsten Altersgruppe am höchsten.
In einer früheren Version dieses Beitrags hiess es im Lead irrtümlich, die Basis von SP und GLP vertrete eine andere Haltung als ihre Parteispitzen. Gemeint waren SP und Grüne. Die GLP vertritt die Ja-Parole zu Frontex.
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