Die Reitschul-Störenfriede sind die Drogenhändler, nicht Reto Nause
Der Spontanbesuch des Polizeidirektors Reto Nause bei der Reitschule lenkt den Fokus auf das echte Problem.

Der Stadtberner Polizeidirektor Reto Nause hat am vergangenen Wochenende für eine Episode gesorgt, die am Ende noch einiges auslösen dürfte. Nach einem Konzertbesuch im Bierhübeli fasste er am Freitagabend etwa um 23 Uhr den Entschluss, auf dem Nachhauseweg bei der Reitschule einen Augenschein zu nehmen. Aus welchen Gründen auch immer.
Nause wusste nach eigenen Angaben nicht, dass die Polizei zwei Stunden vorher dort eine Grossaktion gegen den Drogenhandel durchgeführt hatte. Die Nerven der Aktivisten der Reitschule waren wegen der Aktion angespannt. Prompt wurde Nause erkannt und von Unbekannten vom Vorplatz verwiesen.
Nauses einsamer Gang vor die Reitschule sorgte beim Stadtpräsidenten offenbar für Kopfschütteln. Dem Vernehmen nach fand es Alec von Graffenried keine gute Idee von Nause, sich kurz nach einem Einsatz der Polizei auf den Vorplatz zu begeben. Nause ist zu dieser Angelegenheit kurz angebunden. Er will sich zu seinem Vorgehen nicht weiter äussern.
So viel lässt sich sagen: Sein Vorgehen war zu spontan und zu wenig durchdacht. Er als Sicherheitsdirektor hätte vor seinem Gang auf den Vorplatz die Polizei über seinen bevorstehenden Besuch informieren sollen. Das gehört zu einem professionellen Vorgehen.
Nause mag jedoch seinen Fehler nicht zugeben. Denn er würde damit einräumen, dass es in Bern Räume gibt, die für ihn als Polizeidirektor unter bestimmten Umständen tabu sind. Es wäre das Eingeständnis der eigenen Machtlosigkeit. Dass er dies nicht machen will, ist nachvollziehbar.
Früher hätte von Nauses Wegweisung vielleicht kaum jemand erfahren. Doch heute gibt es Twitter. Ein Medium, das es Politikern erlaubt, ungefiltert zu berichten, was ihnen gerade passiert oder durch den Kopf geht. US-Präsident Donald Trump macht es vor. Nause ist erst seit kurzem auf dem Kurznachrichtendienst aktiv. Kommunikationsexperten werden sich darüber streiten, ob es geschickt war, dass Nause seine unangenehme Erfahrung umgehend verbreitete. Auch zu diesem Thema ist im Stadtberner Gemeinderat für Gesprächsstoff gesorgt.
Entlarvend war der Vorfall vor allem für die Reitschule. Wenn deren Mediengruppe am Samstag darauf von einer «Provokation» schreibt, dann verrät dies viel über ihr Selbstverständnis. Sie will entscheiden, wer sich wann auf dem Vorplatz aufhalten darf. Die Wegweisung von Reto Nause mit dem Satz zu begründen, dass weggewiesen werde, wer den Betrieb störe, ist ein Hohn. Gestört hat der Sicherheitsdirektor den Betrieb bestimmt nicht.
Die Verantwortlichen des autonomen Jugendzentrums lassen dagegen die eigentlichen Störenfriede der Reitschule – die Drogenhändler – unbehelligt. Es ist nicht zu verstehen, wieso die Reitschule sich nicht klarer gegen diese abgrenzt und wieso der Sicherheitsdienst der antikapitalistischen Reitschule diese Vertreter des kapitalistischen Drogenhandels nicht vom Vorplatz verweist.
Mit ihrer passiven Haltung lässt die Reitschule zu, dass sich die Drogenhändler unter das jugendliche Partyvolk mischen. Das ist unverantwortlich. Auch der Gemeinderat hinterlässt hier einen hilflosen Eindruck: Zwar verurteilt er immer wieder den Drogenhandel, aber er ist offenbar nicht in der Lage, ein entschlossenes Handeln der Reitschule zu erwirken. Jetzt muss er einen neuen Anlauf nehmen.
Reto Nause zumindest ist fest entschlossen, den «Missstand zu korrigieren und entsprechende Massnahmen umzusetzen», wie er sagt. Sollte es schliesslich echte Fortschritte geben, dann hätte Reto Nauses spontanes Abbiegen auf den Vorplatz am Ende eine positive Wirkung gehabt.
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