Selina Rutz-Büchel tritt zurückDie Schweizer Rekordhalterin beendet wegen Long Covid ihre Karriere
Eineinhalb Jahre kämpfte Selina Rutz-Büchel um die Rückkehr in den Spitzensport – vergebens. In Erinnerung bleiben ihre EM-Titel und ein fantastischer Rekord.

«Ob ich es je wieder in den Spitzensport schaffe, ist offen.» Das hat Selina Rutz-Büchel vor einem Jahr zu dieser Zeitung gesagt. Heute weiss die Schweizer Rekordhalterin über 800 m, dass sie es nicht mehr schafft. Die 31-jährige Toggenburgerin hat am Mittwoch ihren Rücktritt vom Spitzensport bekannt gegeben. Oder wie sie sagt: «Nach einem langen Prozess fühlt es sich eher so an, dass ich das Comeback nicht mehr schaffe.»
«Mein Körper verkraftet nur schon leichtere Trainings nicht.»
Rutz-Büchels Rückzug ist kein freiwilliger, sie leidet noch immer an Long Covid. Im Frühling 2021 erkrankte sie an Corona – und kämpft seither um Normalität und die Annäherung an ein geregeltes Training. Jetzt hat die zweifache Hallen-Europameisterin resigniert und sagt: «Mein Körper verkraftet nur schon leichtere Trainings nicht.»
Ende April ist Rutz-Büchel Mutter einer Tochter geworden, «seither habe ich eine neue Aufgabe als Mami». Im Juni erlebte sie nochmals eine Trainingsphase, die ihr Hoffnung machte. Doch der Rückfall folgte bald. «Es war ein ständiges Auf und Ab, mein Nervensystem ertrug die Belastung nicht, ich konnte kaum mehr herunterfahren.» Vergleiche sie ihren Gesundheitszustand jedoch mit jenem vor einem Jahr, habe sie «mega grosse Fortschritte» gemacht.
Ihren moralischen Tiefpunkt erlebte Rutz-Büchel im Juni vor einem Jahr, als sie sich eingestehen musste, dass eine Olympiateilnahme in Tokio nicht möglich war. Es wären ihre zweiten Spiele nach Rio 2016 gewesen, wo sie hervorragende Neunte geworden war. «Psychisch ging es mir schlecht, ich war traurig und depressiv, manchmal auch wütend», sagt die Ostschweizerin.
28 Jahre alten Rekord verbessert
Rutz-Büchel prägte mit Mujinga Kambundji und Lea Sprunger die Anfänge des Aufschwungs der Schweizer Leichtathletik. 2015 wurde sie in Prag Hallen-Europameisterin, und nur ein paar Monate später stürmte sie in Paris in 1:57,95 Minuten zum Schweizer Rekord und verbesserte die 28 Jahre alte Marke Sandra Gassers um fast eine Sekunde. 2017 gelang ihr in Belgrad die Seltenheit, den Hallen-EM-Titel zu verteidigen.

Ein wenig Wehmut liegt in ihrer Stimme, wenn sie zurückblickt. «Ich bin mega dankbar für alle Erlebnisse im Sport, ich habe es geliebt und genossen, zweimal täglich zu trainieren.» Sie weiss: Die Zukunft hat längst begonnen. Aber mit dem Sport hat sie nicht abgeschlossen. Eine Rückkehr in irgendeiner Form kann sie sich gut vorstellen.
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