Analyse Wacker ThunDie wichtigste Saison in der Clubgeschichte
Die Berner Oberländer Handballer stehen nicht bloss wegen der Corona-Krise unter Druck. Sie müssen den Beweis erbringen, unverändert ein Spitzenclub zu sein. Eine Einschätzung.

Die Darbietungen in den vergangenen beiden Saisons waren: ungenügend.
Das mag eine gar kritische Betrachtung der Dinge sein, zumal Wacker mit dem Cup 2019 einen der beiden Titel holte, den es derweil zu gewinnen gab. Doch die Thuner verloren jüngst vornehmlich – Partien, Zuschauer und den Status des unumstrittenen Spitzenclubs.
Sie vermochten im Herbst 2018 keines der zehn Champions-League-Spiele für sich zu entscheiden, obwohl die Gegner anders als bei der ersten Teilnahme nicht übermächtig waren. Sie scheiterten vor knapp einem Jahr im EHF-Cup in ihrer ersten Runde – an einem belgischen Team, das hierzulande eher nicht vorne mitspielen würde. Und vor allen Dingen unterlagen sie in der Meisterschaft nach dem Titelgewinn 2018 genauso oft, wie sie siegten.
Die potenziellen Besucher reagierten – indem sie den Partien zunehmend fernblieben. In der entsprechenden Statistik lag der langjährige «Zuschauerkrösus» zuletzt nur noch im Mittelfeld.
In der bevorstehenden Saison dürfte vieles besser werden. Und das muss es auch.
Die Berner Oberländer feiern 2021 ihr 60-jähriges Bestehen. Die kommende Spielzeit ist die bislang wichtigste in ihrer Historie. Die Sportclubs stehen nach respektive in der Corona-Krise unter riesigem Druck. Der Kampf um Sponsoren, um Publikum, ums Überleben letztlich – er wird heftiger werden. Gute oder zumindest bessere Karten hat, wer ein Produkt anbietet, das überzeugt. Die Thuner können es sich nicht länger leisten, im Wesentlichen nur dann zu performen, wenns zählt, lies: während der Schlussphase einer jeden Saison. Sie müssen den Eindruck vermitteln, jedes einzelne Qualifikationsspiel sei ein Höhepunkt. Nur dann kommen die Zuschauer trotz all der Einschränkungen. Und wer Publikum anzieht, der bleibt für Sponsoren interessant.
Der Verein geniesst in der Region einen hohen Stellenwert. Das ist sein Verdienst. Seine Bürde ist, dass an ihn hohe Ansprüche gestellt werden. Wer in die Lachenhalle geht, will Wacker siegen sehen. Spätestens nach der Rückkehr des mehrmaligen MVP Lukas von Deschwanden hat die Mannschaft das Potenzial, dem jederzeit gerecht zu werden.
Erfolgscoach Martin Rubin weiss in seiner letzten Saison im Oberland um ein Team, das Meister werden kann. Es vereint mit von Deschwanden und Nicolas Raemy zwei Ausnahmekönner sowie einige weitere erstklassige Akteure – arrivierte Spieler wie Abwehrchef Stefan Huwyler und Captain Jonas Dähler sowie aufstrebende Leute wie Damien Guignet und Max Dannmeyer, einen Zuzug aus Zürich.
Wackers grösstes Problem in den letzten beiden Jahren waren die vielen Ausfälle; das Ensemble büsste dadurch regelmässig an Kampfkraft und an Attraktivität ein. Die Verantwortlichen reagierten: Sie passten die Saisonvorbereitung an und wollen die Belastung der Spieler mithilfe einer App stärker steuern. Profitieren dürften die Thuner in dieser Beziehung davon, dass sie erstmals seit geraumer Zeit international nicht vertreten sein werden: Sie können sich auf Liga und Cup konzentrieren, absolvieren weniger Partien.
Eine Garantie dafür, dass sich nicht mehr ganz so oft Spieler verletzen werden, ist das nicht. Möglicherweise beschäftigen die Berner Oberländer zu viele anfällige Akteure. Leute wie Raemy, Ron Delhees und Luca Linder müssen vorab sich selber beweisen, dass ihr Körper noch immer in der Lage ist, den extremen Belastungen standzuhalten. Sind sie irgendwann wieder alle an Bord, ist das Team erstmals seit 2017 (!) vollzählig – dann sind die Thuner im Rennen um den Titel nicht bloss ein Favorit. Sondern der Favorit.
Und nichts hilft in schwierigen Zeiten mehr als Siege.
Fehler gefunden?Jetzt melden.