Telegram MessengerMit dieser App meldet sich Selenski aus dem Krieg
Die russische Telegram-App ist in der Ukraine beliebt. Sie gilt jedoch als eher unsicher und als Sammelbecken aller möglichen Gruppierungen.

Wenn sich Wolodimir Selenski aus dem kriegsversehrten Kiew meldet, dann tut er dies oft via Telegram. 1,5 Millionen Leute haben den Kanal des ukrainischen Präsidenten abonniert. Telegram ist in der Ukraine sehr beliebt. Darüber kommunizieren Familien und Freunde. Darüber werden Nachrichten verbreitet. Und darüber organisiert sich der nationale Widerstand.
Und dies, obwohl die App ursprünglich in Russland entwickelt wurde. Gründer und Geschäftsführer ist Pawel Durow. Der Unternehmer hat sich nun öffentlich zum Krieg geäussert – selbstverständlich auf Telegram: «Meine Familie mütterlicherseits stammt aus Kiew», schreibt er in seinem Kanal. Bis heute habe er viele Verwandte in der Ukraine. «Aus diesem Grund ist dieser tragische Konflikt für mich auch eine persönliche Angelegenheit.»
Gespaltenes Verhältnis zu Russland
Zum Konflikt äussert sich auch das Unternehmen Telegram. Zum multinationalen Team gehörten viele Mitglieder aus der Ukraine, ist in einer Mitteilung zu lesen. «Wir alle wünschen uns ein sofortiges Ende des Konflikts.» Es sei tröstlich, zu sehen, dass Telegram Menschen helfen könne, schnellen Zugang zu Informationen zu bekommen – teilweise zu lebenswichtigen wie Warnungen vor Luftangriffen. «Unsere Herzen sind bei allen, die von diesem Krieg betroffen sind.»
Der Telegram-Gründer Pawel Durow hat ein gespaltenes Verhältnis zu Russland. In seiner Mitteilung verweist er auf ein Schlüsselerlebnis aus dem Jahr 2013. Damals leitete er das von ihm gegründete soziale Netzwerk VK, einen bis heute in Russland beliebten Facebook-Klon. Der russische Geheimdienst habe damals nach privaten Daten ukrainischer Nutzer verlangt, die sich bei Demonstrationen engagiert hätten. «Ich habe mich geweigert, diesen Forderungen nachzukommen, da dies einen Verrat an unseren ukrainischen Nutzern bedeutet hätte», schreibt Durow.
«Das Recht unserer Nutzer auf Privatsphäre ist mir heilig. Jetzt mehr denn je.»
Wurde bislang eine Behörde vorstellig, hat Telegram diese geflissentlich ignoriert. Sofern es überhaupt zu einer Anfrage kam. Denn wo sich die Leiter und Entwickler des Dienstes aufhalten, ist schwer herauszufinden. Nachdem sie offenbar unter anderem in Berlin und London gewesen sind, geben sie nun eine Adresse in Dubai an.
Die Betreiber spielen ein Versteckspiel mit den Behörden. Erst nach zahlreichen Versuchen gelang es im letzten Jahr Deutschland, einzelne Kanäle blockieren zu lassen. Allerdings funktionierte die Sperre bloss, wenn der Zugriff aus Deutschland erfolgte. Und wenn dazu ein Smartphone genutzt wurde. Die Telegram-Macher scheinen den Arm des Gesetzes also nicht besonders zu fürchten.
Viele Sicherheitsmängel
In falscher Sicherheit darf sich bei Telegram indes niemand wähnen. Auch die Ukrainerinnen und Ukrainer nicht. Zwar haftet Telegram der Ruf an, ein sicherer Dienst zu sein, seit der Messenger früh eine Funktion zum Verschlüsseln der Kommunikation eingebaut hatte. Anders als bei Konkurrenzprodukten wie Whatsapp, Signal oder Threema muss diese aber umständlich für jeden Chat einzeln aktiviert werden. Deshalb kommuniziert wohl kaum jemand gesichert.
Die unverschlüsselte Kommunikation speichert Telegram zudem in der Cloud ab. Sogar die Entwürfe zu Mitteilungen werden flugs gespeichert, und natürlich die Metadaten dazu, wer mit wem kommuniziert. Dort könnten die Nachrichten theoretisch mitgelesen oder abgefangen werden. Um den Dienst nutzen zu können, muss man sich zudem mit einer Mobiltelefonnummer anmelden. Zwar ist der Programmcode der App frei verfügbar. Der Code, der auf dem Server läuft, bleibt hingegen das Geheimnis der Telegram-Macher. Viele IT-Sicherheitsexperten stehen der App aus diesen Gründen kritisch gegenüber.
Solche Vorbehalte versucht Pawel Durow in seinem Kanal zu entkräften. Etwa indem er beteuert, sich niemandem beugen zu wollen. «Ich stehe für unsere Nutzer ein, egal was passiert. Ihr Recht auf Privatsphäre ist mir heilig. Jetzt mehr denn je.»
Mathias Born ist Redaktor und Datenjournalist im Wirtschaftsressort. Er arbeitet seit dem Jahr 2000 als Journalist in den Bereichen Technik, Service und Wirtschaft. Mathias Born ist ausgebildeter Lehrer und hat ein Studium in Medienwissenschaft und Zeitgeschichte sowie eine Datenjournalimus-Ausbildung abgeschlossen.
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