
Du sollst nicht fragen. Du sollst nicht filmen, Du sollst nichts verraten. Du sollst nichts sagen. Es erinnert an die biblischen Gebote oder den Hollywood-Streifen «Fight Club», was die besten Clubs der Schweiz so äussern, bevor es ab Samstag Ernst gilt. Nicht dass das Playoff so bedeutungsschwer wäre wie Gottes Botschaft oder Brad Pitts Dialog in einem Hundert-Millionen-Dollar-Film. Es scheint nur so.
Zum Beispiel Ambri. Die Leventiner verschickten im Hinblick auf die entscheidende Saisonphase extra Verhaltensregeln für Medienvertreter. «Die Trainings dürfen nicht gefilmt werden», heisst es unter einem der fünf Punkte, «es ist untersagt, über das Line-up oder den Spielerbestand auf dem Eis zu berichten.» Immerhin: Augenbinden sind nicht vorgeschrieben. So könnte man wenigstens die schmucken Trainingsleibchen oder die bunten Sponsorenlogos thematisieren.
Aus Sicht der Reporter mag das mühsam sein, aus Sicht der Leser langweilig. Wie jedes Jahr werden uns also wochenlang Sätze wie «Wir haben noch gar nichts gewonnen», «2:3 oder 2:9 ist völlig egal», «Wir schauen vorwärts, nicht zurück» oder der Klassiker «Wir nehmen es Spiel für Spiel» vorgesetzt. Wir werden im TV sehen, wie ein verschwitzter Spieler seine erste Antwort mit «wie gesagt» beginnt. Wir werden über Ober- und Unterkörperverletzungen informiert, bestenfalls. In schätzungsweise ein bis zwei Jahren heisst es dann schlicht Körperverletzung.
Ambri, obwohl seit einem halben Jahrzehnt ohne Playoff-Erfahrung, hat schnell gelernt. Denn die Tessiner sind ja keineswegs ein krasser Auswuchs der Geheimniskrämerei – die Playoff-Paranoia erfasst jeweils die gesamte Liga. Oder wenigsten die besten acht Clubs – beim ZSC oder in Freiburg haben sie derzeit andere Sorgen.
Die Paranoia ist durchaus begründet. Und darum eigentlich gar keine Paranoia, sondern bloss seriöse Matchvorbereitung. Denn wer glaubt, ein 20-Millionen-Franken-Unternehmen sei moralisch nicht imstande, sich für eine Handy-Aufnahme zu interessieren, die drei gegnerische Powerplay-Varianten zeigt, hat den Leistungssport nicht ganz verstanden. Glaubt wohl auch, dass kein Spieler je einen anderen gezielt an einem verletzten Körperteil attackieren würde. Und glaubt ein bisschen an den Osterhasen.
Die Beteiligten wissen es besser. Als letztes Jahr vor der Ligaqualifikation der Rapperswiler Novizen-Trainer Vjeran Ivankovic samt Begleiter das Training von Kloten besuchte, unterbrach EHC-Trainer André Rötheli fluchend die Übungen. Als Ivankovics Begleiter das Handy zückte, wies Rötheli das Duo aus der – durchaus öffentlichen – Eishalle.
Ab morgen also ist nicht nur in Ambri jeder Zuschauer ein potenzieller Spion. Ist jeder, der nicht auf der eigenen Lohnliste steht, rettungslos verdächtig. Ist Paranoia plötzlich Wirklichkeit, jedes Interview ein Schlachtruf für die Mitspieler, eine Botschaft an die Gegner. Und alle, denen Eishockey am Herzen liegt, werden diese Schmierenkomödie lieben. Wie gesagt.
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Endlich Playoff-Paranoia
Spione im Stadion, Floskeln im TV: Wir lieben es.