So heizt BernFünf Haushalte, die der Energiekrise trotzen
Die Energiepreise steigen massiv, Gas und Strom könnten knapp werden. Visite bei Bernern und Bernerinnen, die sich in der Krise um mehr Unabhängigkeit bemühen.

Die Energiekrise trifft viele hart. Doch es gibt auch Wege, sich von der Abhängigkeit von Heizölhändlern, Gaslieferanten und Stromkonzernen zu lösen, zumindest ein Stück weit. Die von dieser Zeitung porträtierten Haushalte haben dies – auf sehr unterschiedliche Weise – angepackt, meist schon lange vor dem Krieg von Russland gegen die Ukraine. Fünf Beispiele.
Mit Solardach und Wärmepumpe zur Heizautonomie

Die Wärme für ihr Einfamilienhaus in Kirchlindach holt das Ehepaar Romy und Ruedi Guggisberg von weit unten: 240 Meter tief liessen sie in ihrem Garten für die Erdsonde bohren, welche mittels einer Wärmepumpe die höhere Temperatur im Erdreich zum Heizen nutzt. Das war 2009.
Zuvor hatten sie dem Haus aus den 1970er-Jahren, das wie alle Gebäude aus dieser Zeit schlecht isoliert war, mit modernen Fenstern zu einer besseren Wärmedämmung verholfen. 2011 installierten sie auf dem Dach Solarzellen, um den Strombedarf im Haus generell sowie jenen der Wärmepumpe so weit wie möglich selber zu produzieren.
Viel mehr kann man als Hauseigentümer nicht tun, um den eigenen Energiebedarf umweltfreundlich zu decken, insbesondere ist es eine CO₂-freie Lösung für das Haus. Für Ruedi Guggisberg zählte jedoch noch etwas anderes: «Die Autonomie ist mir wichtig», sagt er. «Wir haben sie nun bis zu einem gewissen Grad erreicht, wenn auch nicht total.»
Übers Jahr gerechnet liefert die Solaranlage ungefähr so viel Strom, wie im Haus verbraucht wird. Doch saisonal sieht dies anders aus: Die Solaranlage produziert im Sommerhalbjahr mehr Strom, die Wärmepumpe benötigt im Winterhalbjahr mehr. Da kommt der Stromversorger BKW ins Spiel: Im Sommer liefern die Guggisbergs der BKW den Überschuss, im Winter beziehen sie von ihr die fehlende Elektrizität.
«Wir gehören zur Generation, die als Kinder noch Eisblumen an den Fenstern kannte.»
Die Abhängigkeit besteht bei den Konditionen für Solarstrom, die der Bund und die Stromversorger festlegen. Es war eine Achterbahnfahrt. Zuerst stand die Solaranlage auf der Warteliste für die kostendeckende Einspeisevergütung des Bundes. Diese wurde dann durch einen – finanziell kleineren – Zuschuss zur Investition ersetzt.
Die BKW zeigte sich anfänglich grosszügig gegenüber den privaten Solarproduzenten, senkte dann aber den Preis für den Solarstrom der Privaten drastisch. Inzwischen ist dieser im Gefolge der generellen Strompreishausse wieder hoch. «Momentan bezahlt uns die BKW ungefähr gleich viel für unseren Strom, wie wir für ihren Strom bezahlen», sagt Ruedi Guggisberg. Aber die Abhängigkeit vom Monopolisten BKW ärgert Guggisberg, der früher für die SVP im Grossrat sass, nach wie vor.
An ihre Grenzen würde die Autarkie des Ehepaars auch bei einem – unwahrscheinlichen – Zusammenbruch der Stromversorgung stossen. Zwar gibt es auf dem Markt technische Lösungen, um Solaranlagen unabhängig vom Netz zu betreiben, aber diese sind unwirtschaftlich.
Für sich selber machen sie sich jedoch keine grossen Sorgen. «Wir gehören zur Generation, die als Kinder noch Eisblumen an den Fenstern kannte», sagt Romy Guggisberg. Dass man im Winter auch drinnen Pullover trägt, ist für sie selbstverständlich. Und für den Notfall haben sie vorgesorgt – Holz für das Cheminée steht bereits hinter dem Haus.
Mit Fernwärme durch den WG-Winter

Adrian Mettler ist wenig kälteempfindlich. Der Student ist auch draussen gern barfuss unterwegs, «falls nicht gerade Schnee auf der Strasse liegt». Doch robust muss man eigentlich nicht sein, wenn man im riesigen neuen Block der Genossenschaft Warmbächli in Bern wohnt. Mettler und zwei seiner WG-Gspändli sitzen im T-Shirt in der Wohnküche.
Eine Missachtung der bundesrätlichen Aufrufe zum Energiesparen ist dies keineswegs – die WG hat die Heizung noch gar nicht eingeschaltet. Dennoch ist es in der Wohnung angenehm warm. Der Wohnblock, gebaut nach Minergie-Kriterien, ist gut wärmegedämmt. Im Winter liefert die Energiezentrale und KVA Forsthaus des Stadtberner Versorgers EWB Fernwärme zum Heizen sowie ganzjährig für das Warmwasser.
Die Energiequelle ist hauptsächlich der Abfall der Region Bern sowie Holz, die in der Energiezentrale Forsthaus verbrannt werden. Beides gilt als erneuerbar. Für die Stromversorgung setzt die Wohngenossenschaft auf die Sonne. Die Energiekrise, so scheint es, kann den Bewohnerinnen und Bewohnern der Genossenschaft nichts anhaben.
«Die Energiekrise spüre ich nicht am eigenen Leib.»
Bei genauerer Betrachtung stimmt dies nicht ganz. An sehr kalten Tagen wird im Forsthaus die Fernwärme auch mit Erdgas erzeugt. Zwar hat die Wohngenossenschaft bei EWB das Produkt Ökofernwärme ohne Gasanteil gewählt. Ein allfälliger Gaslieferstopp hätte aber vielleicht Auswirkungen auf die Fernwärmeversorgung in Bern insgesamt.
Auch bei der Stromversorgung ist der Wohnblock nicht in einem physikalischen Sinn unabhängig. Die Solarzellen auf dem Dach können das Gebäude mit über sechzig Wohnungen sowie das eingemietete Gewerbe und das Restaurant nicht komplett versorgen.
Zwei Drittel des Stroms liefert deshalb EWB. Für diesen Strom kauft die Genossenschaft Herkunftsnachweise für Solarstrom dazu. Damit sorgt sie dafür, dass irgendwo in der Schweiz Solarstrom für ihren Bedarf produziert und ins Stromnetz eingespeist wird. In diesem Sinn ist die Stromversorgung zu 100 Prozent solar. Für die von EWB gelieferte Elektrizität wird die Genossenschaft dennoch ab Januar die jüngst angekündigten gestiegenen Strompreise bezahlen.
Die finanziellen Folgen der Energiekrise dürften sich im energieeffizienten Wohnblock allerdings in Grenzen halten. «Die Energiekrise spüre ich nicht am eigenen Leib», sagt Mettler, «ich erfahre sie nur durch andere.» Das Thema Umwelt ist ihm, der unter anderem nachhaltige Entwicklung an der Uni Bern studiert, dennoch sehr wichtig.
Er fliegt nie, fährt nicht Auto «sowie übrigens auch nicht ständig lange Strecken im Zug» – und, für viele eine Horrorvorstellung, er duscht kalt. Bei der Lampe im Wohnbereich allerdings hat sich die WG dann doch für die Leuchten entschieden, die ein bisschen weniger effizient, aber schöner sind. So viel Luxus muss sein.
Auf der Suche nach Gasersatz

Urs Bögli ist Architekt. Er wohnt in einem bald hundertjährigen Mehrfamilienhaus, das in Familienbesitz ist. «Ein Glück», sagt er, «so können wir mitbestimmen.» Seit zwölf Jahren wird das Warmwasser mit einer Solaranlage produziert. «In sonnigen Jahren liefert die Anlage von März bis November meist genug warmes Wasser», erklärt er. In regnerischen Perioden und im Winter müsse das Wasser allerdings zusätzlich mit Gas gewärmt werden.
Das werden die Eigentümer ändern. Die Gasheizung komme ans Ende ihrer Lebensdauer, der Ersatz durch eine klimafreundliche Wärmepumpe sei schon vor dem Ukraine-Krieg beabsichtigt gewesen, sagt der Architekt. Leider könne die neue Anlage erst nächstes Jahr realisiert werden. «Bis dann reduzieren wir halt den Gasverbrauch, so gut es geht.»
Konkret drehen Bögli und seine Familie die Radiatoren zurück, wenn niemand daheim ist – was bei Berufstätigen und Kindern in Ausbildung oft der Fall sei. Auch abends und am Wochenende heizen sie nicht alle Zimmer auf 20 Grad. Nachts schliessen sie alle Rollläden. Gerade in kalten Winternächten verringere dies den Wärmeverlust deutlich, sagt der Architekt.
«Auch wir sind auf die Solidarität der Gesellschaft beim Energiesparen und auf das öffentliche Stromnetz angewiesen.»
Er sei sich aber bewusst, dass nicht alle das Heizen derart reduzieren könnten wie er und seine Familie. Etwa die 80-jährige Mieterin, die im selben Haus wohne – «sie friert rascher und ist meist zu Hause» – oder Mitbewohnerinnen im Homeoffice. Zudem dürfe man die Heizung nicht ganz abstellen, erklärt Bögli. «Sonst leidet das Haus.» Wenn die Luftfeuchtigkeit im Raum hoch und die Aussentemperaturen tief seien, könne sich gerade in alten Häusern an den Wänden Kondenswasser und in der Folge Schimmelpilz bilden. Deshalb sollte die Raumtemperatur laut Bögli bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von etwa 50 Prozent nicht tiefer als 17 Grad sein. Er empfiehlt regelmässiges Stosslüften – «Ja nicht die Fenster stundenlang gekippt offen lassen» – und die Luftfeuchtigkeit mit einem Hygrometer im Auge zu behalten.
Der umweltbewusste Umgang mit Ressourcen ist für den Berner Architekten ein langfristiges Thema. Deshalb werde die Familie später auch die thermische Solaranlage durch eine Fotovoltaikanlage ersetzen. Doch auch damit könne das Mehrfamilienhaus nicht energieautark werden, weil sich Sonnenstrom lokal kaum wirtschaftlich für graue Tage speichern lasse. «Auch wir sind auf die Solidarität der Gesellschaft beim Energiesparen und auf das öffentliche Stromnetz angewiesen.»
Obwohl sie bereits viele Möglichkeiten zum Energiesparen ausgeschöpft hätten – Kellerdecke und Dach seien bereits bestens isoliert –, gebe es auch bei ihrem Haus noch Schwachstellen, sagt Bögli. Er zögere etwa immer noch, die alten, schönen Fenster zu ersetzen oder die Fassade des Hauses zu dämmen. «Das würde das Haus völlig entstellen.»
Der Kachelofen bestimmt den Tagesablauf

Die 5-Zimmer-Mietwohnung von Nicole Küng, Jürg Bucher und ihren beiden Söhnen im Murifeldquartier ist rund hundert Jahre alt. In den 1990er-Jahren wurde sie nur sanft renoviert. Deshalb heizen die Küng-Buchers noch so wie vor hundert Jahren: mit Holz.
In jedem Zimmer steht ein Kachel- oder ein Kanonenofen. Am frühen Morgen macht in der Regel Jürg Bucher zuerst im Kanonenofen in der Küche ein Feuer. «Damit es schnell warm wird», erklärt er. Der Ofen aus Gusseisen gebe die Hitze sehr schnell ab, könne sie aber nicht speichern. Als Jazzmusiker ist er oft abends weg. Darum übernimmt er meist den morgendlichen Feuerdienst, während Küng als Heilpädagogin arbeitet. Gegen Mittag feuert er auch die Kachelöfen im Wohn- und im Kinderzimmer ein, damit die Zimmer warm sind, wenn die Schule aus ist. Denn bis ein Kachelofen die volle Wärme abgibt, dauert es ein bis zwei Stunden, wie Bucher erklärt.
Mit Holz zu heizen, ist aufwendig. Im Winter sollte das Feuer nie ganz ausgehen, weil sich sonst die Wände und die Kachelöfen zu sehr auskühlen. «Nach den Skiferien ist die Wohnung erst nach drei Tagen wieder richtig warm», sagt Nicole Küng. Bis die Glut gut ist, dauert es etwa eine Stunde, wie Bucher beschreibt. Dann heize sie im Kachelofen aber etwa sechs Stunden lang. Zuerst macht Bucher ein Feuer mit mehreren Holzscheiten, dann muss er etwa alle zehn Minuten die Luftzufuhr regulieren oder ein weiteres Scheit nachlegen. «Nach fünf Jahren habe ich die Öfen langsam im Griff», sagt er.
«Wenn der Bauer das Holz bringt, ist es jeweils ein Happening.»
Mit Holz heizen erfordert viel Planung. Werde etwa der Ofen im Kinderzimmer zu spät angefeuert, sei es für die Kinder zu heiss zum Schlafen, sagt Nicole Küng. «Das Heizen bestimmt unseren Tagesablauf.» Nicht nur das. Auch im Jahresrhythmus spielt das Heizen mit Holz eine viel grössere Rolle als etwa eine Zentralheizung. Spätestens im frühen Herbst muss die Familie Holz kaufen. Etwa neun Ster braucht sie in einem Winter. Das Holz liefert der Bauer in drei Ladungen zu drei Ster. «Dann tragen wir die Scheite jeweils zu viert während zweier Stunden in den Keller», erzählt Jürg Bucher.
Und ein bis zwei Tage vor dem Verbrennen müssten die Kinder die Scheite zum Trocknen in die Wohnung holen. «Zum Glück helfen die Kinder ganz gern mit», sagt er. «Und wenn der Bauer das Holz bringt, ist es jeweils ein Happening», ergänzt Nicole Küng.
Und die Kosten? Mit 1800 bis 2500 Franken pro Jahr sei das Holz zwar günstig, findet Jürg Bucher, doch der zeitliche Aufwand dafür sei nicht zu unterschätzen. Dennoch sehnen sich weder er noch seine Partnerin nach einer Zentralheizung. Sie würden mit einer sehr angenehmen Wärme belohnt, sagt Nicole Küng. «Ich freue mich immer auf das erste Feuer, wenn es kalt wird.» Das bestätigt auch Bucher. «Und im Frühling sind wir froh, wenn es wieder vorbei ist», sagt er lachend.
Es geht auch ohne Heizung

Dieses Haus ist schweizweit einzigartig. Denn es besteht nur aus Holz und hat keine Heizung. Die Rede ist nicht etwa von einer Blockhütte im Wald, sondern von einem modernen Mehrfamilienhaus an bester Lage über dem Thunersee. Entworfen wurde es vom Holzbauingenieur Stefan Zöllig, der nach der Fertigstellung im letzten Jahr eine der Wohnungen mit seiner Familie bezogen hat.
Zöllig steht im Gemeinschaftsraum, der allen Mietparteien offensteht. Draussen macht sich der Herbst bemerkbar. Das Raumthermostat zeigt 21 Grad an. Spricht Zöllig über sein heizungsfreies Zuhause, tut er das mit Leidenschaft. Es fallen radikale Aussagen. «Wer heute noch Häuser mit Heizungen baut, sollte aus dem Verkehr gezogen werden.» Oder: «Nebenkosten sind ein Verbrechen.»
«In den meisten Häusern läuft die Heizung nur wenige Tage im Jahr.»
Das sind keine Trotztiraden gegen explodierende Heizkosten, sondern Aussagen, die durch dekadelange Bauerfahrung geformt wurden. Zölligs Unternehmen hat über 3000 Holzgebäude geplant. «In den meisten Häusern läuft die Heizung aber nur wenige Tage im Jahr.» Also hat sich Zöllig dazu entschlossen, sie in seinem neuen Haus gleich ganz wegzulassen. Nicht ganz ohne Bedenken aus der Familie. «Meine Frau hat es gern warm und war dementsprechend skeptisch.» Zwar seien die Temperaturen gelegentlich auf 18 Grad gefallen, das aber nur, weil die Lüftung noch nicht richtig justiert war.
Doch wie soll ein Haus ohne Heizung tatsächlich bewohnbar sein? Zöllig verweist auf das Baumaterial. «Im Gegensatz zu Beton hat Holz warme Oberflächen.» Die restliche Wärme komme von Elektrogeräten wie Computer oder Fernsehen, aber auch von den Bewohnenden selbst. «Wenn genug in die Isolation investiert wurde, dann kann so auch ohne Heizung eine angenehme Raumtemperatur erreicht werden.»

Durch dieses Konzept muss sich Zöllig nicht vor explodierenden Energiepreisen fürchten. «Ich traue es fast nicht zu sagen, aber ich bin von der Energiekrise kein Stück betroffen.» Denn auch der Strom entsteht in Eigenregie, dank der Fotovoltaikanlage auf dem Dach. «Diese Unabhängigkeit gibt mir eine gewisse Sicherheit und bestätigt mich auch in meinem Denken.»
Auch seine Mieter profitieren von Zölligs Holzbegeisterung. Sie bezahlen keine Nebenkosten. Alles andere wäre für den Ingenieur inakzeptabel. Solche Zusatzkosten sieht er als Verfehlung der Bauherrschaften. Viele von ihnen würden ihre Gebäude nach minimalen gesetzlichen Standards bauen. Dementsprechend schlecht sei beispielsweise die Isolation. «Die daraus entstehenden Mehrkosten werden dann auf die Mietenden abgewälzt.»
Laut Zöllig kostet ein Haus aus Holz etwa gleich viel wie eines aus Beton. Wieso Holzhäuser dennoch eher Ausnahmeerscheinungen sind, habe mit dem Gewohnheitsdenken der Baubranche zu tun. «Aber der Holzbau legt zu.»
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