Verhaftung in den USAGing die Frau von «El Chapo» freiwillig ins Gefängnis?
Emma Coronel, die Ehefrau des mexikanischen Drogenbosses Joaquín Guzmán, will angeblich mit den Behörden kooperieren. Das erscheint ziemlich glaubwürdig. Unklar sind ihre Beweggründe.
Es geht ein brisanter Verdacht um in Mexiko: Emma Coronel, die Frau des Drogenbosses Chapo Guzmán, habe sich freiwillig der US-Justiz gestellt. Die 31-Jährige war am 22. Februar am internationalen Flughafen Dulles in der Nähe von Washington verhaftet worden.
Das mexikanische Magazin «Proceso» und die US-Publikation «Vice» zitieren unabhängig voneinander amerikanische Quellen aus Justiz und Ermittlungsbehörden, wonach Coronel einige Tage vor ihrer Festnahme angeboten habe, mit der US-Justiz zu kooperieren.
Sie war die Ruhe selbst
«Sie rief einen FBI-Agenten an, mit dem sie schon seit längerem in Kontakt steht», zitiert Proceso die anonyme Quelle. Ausserdem behauptet das Magazin, Chapo Guzmáns Gattin habe schon im Jahre 2017 damit begonnen, mit dem FBI und der US-Antidrogenpolizei DEA zu sprechen.
Vertreten lässt sich Coronel von der Anwältin Mariel Colón und vom Anwalt Jeffrey Lichtman. Beide gehörten auch zum Verteidigerteam von Chapo Guzmán, den ein New Yorker Gericht im Juli 2019 zu lebenslanger Haft verurteilte. Coronel war an jedem Prozesstag im Gerichtssaal anwesend. Sie faszinierte die Öffentlichkeit durch ihre prunkvolle Aufmachung und die scheinbar unerschütterliche Ruhe, mit der sie den vernichtenden Zeugenaussagen gegen ihren mehr als 30 Jahre älteren Ehemann lauschte.

Im Unterschied zu anderen Mitgliedern aus Chapos Familienclan hatte Coronel einreisen dürfen, weil sie mexikanisch-amerikanische Doppelbürgerin ist.
Als Journalisten des Magazins «Vice» Lichtman auf die jüngsten Berichte über seine Mandantin ansprachen, reagierte er gereizt. Seine Antwort lässt aber vermuten, dass die Informationen zutreffen. «Ich bin erschüttert, dass jemand vom FBI so etwas durchsickern lässt. Ich kommentiere diese Behauptung nur, wenn Sie mir sagen, wo das Leak ist.»
Die US-Justiz wirft Coronel vor, sich am Drogenschmuggel des Sinaloa-Kartells beteiligt zu haben. Ausserdem habe sie die spektakuläre Flucht ihres Mannes aus dem mexikanischen Hochsicherheitsgefängnis Altiplano mitorganisiert; im Juli 2015 war Chapo Guzmán durch einen 1,5 Kilometer langen Tunnel entkommen. Coronel habe ihm zuvor eine Uhr mit einem GPS-Sender geschenkt, der den Konstrukteuren beim zielgenauen Bau des Fluchtweges geholfen habe.
Laut dem Magazin «Proceso» hofft die ehemalige Schönheitskönigin, dank ihrer Zusammenarbeit mit den amerikanischen Ermittlern eine deutlich mildere Strafe zu erhalten. Unter normalen Umständen drohen ihr bei einem Schuldspruch mindestens zehn Jahre Haft.
Sagt sie aus gegen Chapos Söhne?
Einer anonymen Quelle aus dem Justizwesen zufolge ist jetzt schon klar, wie Jeffrey Lichtman argumentieren wird: Seine Mandantin habe der US-Justiz einen grossen Gefallen getan. Wäre sie in Mexiko geblieben, hätte sie in den USA erst nach einem langwierigen Auslieferungsprozess angeklagt werden können. Wenn überhaupt.
Die Frage, ob Chapo Guzmán schon von der Verhaftung seiner Gattin wisse, wollte Lichtman nicht beantworten. Es zirkulieren in Mexiko auch Vermutungen, wonach es der Drogenboss selber sei, der aussagen wolle. Die unmenschlich harten Haftbedingungen in einem Hochsicherheitsgefängnis des Bundesstaates Colorado hätten ihn zermürbt. In diesem Falle wäre Coronel verhaftet worden, um sie vor der Vergeltung des Sinaloa-Kartells zu schützen.
Was der ganzen Geschichte den Hauch einer Netflix-Serie verleiht, ist, dass Chapo Guzmáns Söhne aus früheren Beziehungen, nämlich Iván, Ovidio, Joaquín und Alfredo, mittlerweile zu wichtigen Figuren des organisierten Verbrechens aufgestiegen sind. Sagt ihre Stiefmutter gegen das Sinaloa-Kartell aus, begeht sie also Verrat innerhalb der Familie.

Die mexikanische Journalistin Anabel Hernández, die über Mexikos Drogenmafia mehrere Bücher verfasst hat, glaubt etwas anderes: Emma Coronel habe hinter ihrer steinernen Fassade getobt, als sie während des Prozesses gegen Chapo Guzmán das Ausmass von dessen ehelicher Untreue erfuhr. Laut Hernández hat sich Coronel der US-Justiz gestellt, um sich an ihrem Gatten zu rächen.
Die Journalistin ist in Mexiko bekannt dafür, abenteuerliche Thesen zu verbreiten, kann aber immerhin auf eines hinweisen: Sie hat in den letzten Jahren mehrmals persönlich mit Emma Coronel gesprochen.
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Anabel Hernández sollte man nicht unterschätzen. Die Frau hat Mut, Wissen und Beziehungen. Journalisten/innen leben gefährlich in Mexiko. Ihre These dürfte nahe kommen. Dass Emma Coronel sich selbst 'gestellt' hat, ist ein offenes Geheimnis. Journalisten sind in Mexiko äusserst korrupt, es gibt nicht wenige Mulitmillionäre unter ihnen. Von daher muss man sich die Informationen zusammen suchen. Fündig wird man meist bei unabhängigen Journalisten die einen Wahnsinnsjob verrichten, da wie oben geschrieben, sie leben mehr als gefährlich.