Streit um EU-GrenzschutzGlarner gegen Steinemann: SVP-Showdown zu Frontex
Am 9. April entscheidet die SVP, ob sie die Beteiligung der Schweiz am EU-Grenzschutz unterstützt. Barbara Steinemann wird für ein Ja, Andreas Glarner für ein Nein werben. Der Ausgang ist offen.

Es gehört zur DNA der SVP, dass sie jegliche Annäherung der Schweiz an die EU ablehnt. So bekämpfte sie auch den Beitritt der Schweiz zu Schengen. Steht im Parlament eine Weiterentwicklung des Schengen-Rechts zur Debatte, stimmt die SVP stets Nein. Damit setzt sie ein Zeichen. Mehr aber nicht, denn die übrigen Fraktionen stimmen in der Regel Ja.
Bei Frontex war das anders: Es gab Widerstand von links. Deshalb enthielt sich die Mehrheit der SVP-Fraktion im Parlament der Stimme – und verhalf der Vorlage so zum Durchbruch. Doch linke Organisationen ergriffen das Referendum. Nun muss sich die SVP entscheiden: Am 9. April fassen die Delegierten in Chur die Abstimmungsparole. Will die SVP, dass die Schweiz aus Schengen austritt? Will sie Nein sagen zur Beteiligung der Schweiz am Ausbau der europäischen Grenzschutzagentur Frontex, obwohl sie einen starken Schutz der EU-Aussengrenzen befürwortet?
Blocher für ein Ja
Für die Pragmatiker in der Partei ist der Fall klar. Er habe die Vorlage im Parlament zwar abgelehnt, sagt SVP-Nationalrat Gregor Rutz. Nun sei die Situation aber eine andere. Das Nein der Linken richte sich gegen Grenzschutz. Wer mehr Grenzschutz statt mehr illegale Migration wolle, müsse Ja stimmen. Rutz rechnet damit, dass die Delegierten am 9. April die Ja-Parole fassen werden. SVP-Bundesrat Ueli Maurer setzt sich dafür ein. Auch Fraktionschef Thomas Aeschi und Christoph Blocher plädieren für ein Ja.
Allerdings gibt es gewichtige Stimmen für ein Nein, unter ihnen Nationalrat Roger Köppel und Wahlkampfleiter Marcel Dettling. Die junge SVP fasste einstimmig die Nein-Parole, der neunköpfige Parteileitungsausschuss empfiehlt ebenfalls ein Nein. Damit würde die Schweiz aus Schengen und Dublin austreten und könnte künftig wieder eine eigenständige, restriktive Asyl- und Ausländerpolitik anwenden, heisst es in einem Schreiben des Ausschusses. Ein Nein würde eine noch engere Einbindung in die EU-Institutionen verhindern und Zahlungen in Millionenhöhe an eine träge EU-Institution vermeiden.
An der Delegiertenversammlung wird neben Bundesrat Ueli Maurer Nationalrätin Barbara Steinemann für das Ja-Lager sprechen. Sie habe nur fünf Minuten Zeit, sagt Steinemann, doch diese werde sie nutzen. Sie werde den Delegierten erklären, dass auch sie Schengen kritisch gegenüberstehe, dass es aber keine Alternative gebe: «Es ist in unserem Interesse, dass jemand die EU-Aussengrenzen kontrolliert.» Auch auf die Motivation der Referendumsführer will Steinemann die Delegierten hinweisen. Die linken Gegnerinnen und Gegner gehörten zur «No Borders, No Nations»-Bewegung. Sie wollten, dass niemand auf dem Weg nach Europa aufgehalten werde. «Das kann die SVP doch nicht unterstützen», sagt Steinemann.
«Die letzte Chance für die Schweiz»
Für das Nein-Lager wird Andreas Glarner sprechen, der für seine scharfe Rhetorik bekannte Asylchef der Partei. Für einen Ausblick auf sein Votum vor den Delegierten stand er nicht zur Verfügung. Doch die Frontex-Gegner setzen auf Glarners Überzeugungskraft.

Vielleicht sei es die letzte Chance für die Schweiz, aus Schengen herauszukommen, sagt Lukas Reimann, Präsident der Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz. Der EU-Grenzschutz sei «völlig illusorisch», davon habe er sich mit eigenen Augen überzeugt. Vor kurzem habe er sich an der Grenze zwischen Albanien und Griechenland nach Frontex-Grenzschützern erkundigt. Vergeblich, denn es seien keine vor Ort. Am besten kontrolliere jedes Land seine Grenzen selber, findet Reimann.
Dass die SVP mit einer Nein-Parole ein Referendum der Linken unterstützen würde, ist für Reimann kein Problem. Die SVP würde damit nicht Ja sagen zu einer neuen Vorlage mit einer Klausel zur Aufnahme zusätzlicher Flüchtlingsgruppen, wie sie manche Linke anstrebten, sagt Reimann. «Ein Nein wäre ein Nein.»
Gehässiger Schengen-Abstimmungskampf
Ein Nein der SVP wäre für das linke Anti-Frontex-Lager eine willkommene Unterstützung aus der rechten Ecke. Ein Ja würde die Chancen der Gegnerinnen und Gegner mindern. Nimmt das Stimmvolk die Frontex-Vorlage an, erhöht sich der Schweizer Beitrag von zurzeit 14 Millionen bis 2027 auf rund 61 Millionen Franken pro Jahr, und die Schweiz muss mehr Grenzwächter zur Verfügung stellen.
Das Abkommen über den Beitritt der Schweiz zu Schengen/Dublin nahm das Volk 2005 mit rund 55 Prozent Ja-Stimmen an – nach einem Abstimmungskampf, der von Gehässigkeiten geprägt war, auch innerhalb der SVP. Christoph Blocher war damals Justizminister und sprach sich in dieser Rolle an der offiziellen Medienkonferenz für ein Ja aus, liess später aber seine ablehnende Meinung durchblicken. SVP-Bundespräsident Samuel Schmid dagegen mahnte das Kollegialitätsprinzip an und sprach sich klar für den Schengen-Beitritt aus, was ihm in der Partei Kritik einbrachte.
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