«Ich habe noch nie so gut gesungen wie jetzt»
Howard Carpendale verabschiedet sich vom Schlager: Sein Album «Wenn nicht wir» pendelt zwischen Hoffnung und Verzweiflung.
Howard Carpendale - Wenn nicht wir. Quelle: Youtube.com/Ich find Schlager toll
Vermutlich niemand, der sich Howard Carpendales neues Album «Wenn nicht wir» anhört, wird den gebürtigen Südafrikaner, der seit Jahren in München lebt, danach noch einen Schlagersänger nennen. «Das ist eine Einschätzung, die mich sehr freut», sagt Carpendale. «Ich musste 71 Jahre alt werden, um solch ein Album zu machen.»
«Wenn nicht wir» ist menschlich, nachdenklich, oft balladesk, manchmal voller Hoffnung und zuweilen auch verzweifelt. Mit dem seichten Kram vieler seiner Mitbewerber haben die neuen Songs, die unter der Produktionsregie von Christian Lohr (Sting, Joss Stone, Gianna Nannini) entstanden, jedenfalls denkbar wenig gemeinsam.
«Unser Ziel war es, ein Album zu machen, das nach heute klingt, sowohl von den Themen als auch von den Arrangements her. Seit Ende der Achtziger habe ich mich Schritt für Schritt vom deutschen Schlager wegbewegt, und dieses Album ist das Endprodukt dieser Entwicklung. Und ich will behaupten: Ich habe noch nie so gut gesungen wie jetzt.»
Keine Glückspillen
Das Leben meint es derzeit ohnehin gut mit Howard Carpendale. Von den Depressionen nach dem zwischenzeitlichen Karriererückzug ist er längst genesen. Zeit für ihn, dem Eskapismus seiner Branche etwas entgegenzusetzen. «Der Schlager bringt musikalische Glückspillen, mit denen man für einen kurzen Moment die Probleme ausblendet. Die Leute wollen abgelenkt werden, sie wollen den Beat zum Mitklatschen.» Den bekommen sie bei Carpendale, der seit fünfzig Jahren im Geschäft ist, dieses Mal nicht. Die neuen Stücke sind überwiegend langsam, bisweilen bluesig oder auch mal leicht von Country und Folk inspiriert («Milliarden Geschichten»).
Alt werden, sich alt fühlen? Ist nicht sein Ding. In «Hier», einem der flottesten Songs des Albums, singt Howard Carpendale: «Viel mehr als das, was war, ist das, was noch passiert.» Nostalgie ist erklärtermassen also nicht seine Spezialität. «Gestern ist vorbei. Alles, was ich geleistet habe, zählt kein bisschen, wenn ich nicht nach vorne schaue.»
Carpendale sorgt sich aber auch um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. In «Babylon», einem Song, der an Billy Joels «We Didn't Start the Fire» angelehnt ist, stellt er die Frage «Wird diese Welt wie Babylon im Wahnsinn untergehen / Oder können wir das Ding noch drehen?» Er sehe er die fortschrittlichen Länder wie Deutschland oder die Schweiz in der Pflicht, sich für universelle Werte wie Toleranz, Gleichstellung und Freiheit einzusetzen, daher auch der Albumtitel.
Howard Carpendale skizziert in «Füreinander da», wie man langfristig aus dem Schlamassel herauskommen könnte. «Wir alle sind doch die Leute, die im Auto hupen, den Finger zeigen, ungeduldig und egoistisch sind. Wir sollten uns jeden Tag sagen: ‹Heute scheisse ich die Leute nicht an, sondern heute schenke ich ihnen ein Lächeln.› Ich verspreche: Es wirkt.»
Album:«Wenn nicht wir.», Electrola. Live:31. 10., Zürich, Samsung Hall.
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