«Irlands Regierung verschliesst die Augen»
Das EU-Rettungspaket wird nach Angaben von Premier Brian Cowen voraussichtlich rund 85 Milliarden Euro umfassen. Finanzanalysten glauben jedoch, dass Irland wesentlich mehr Geld braucht.
Der irische Ministerpräsident Brian Cowen hat die Höhe des internationalen Rettungspakets für sein Land auf voraussichtlich etwa 85 Milliarden Euro beziffert. Über diese Summe werde verhandelt, die Zustimmung von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds (IWF) stehe aber noch aus, sagte Cowen am Mittwoch vor Abgeordneten in Dublin. Er bezog sich damit auf irische Medienberichte, in denen von diesem Umfang des Rettungsschirms die Rede war.
Wenige Stunden nach Cowens Äusserung stellte die irische Regierung ein Sparpaket mit einem Gesamtumfang von 15 Milliarden Euro vor, das Voraussetzung ist für die Hilfen von EU und IWF. Es ist die drastischste Haushaltskürzung in der Geschichte des Landes. Die Regierung will damit das Staatsdefizit bis 2014 auf die in der Eurozone geforderten drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts senken. Die diesjährige Verschuldung Irlands beläuft sich auf einen europäischen Rekord von 32 Prozent.
Steuern auf Grundbesitz und Wasser
Im Einzelnen will die Regierung von 2011 bis 2014 die Haushaltsausgaben um zehn Milliarden Euro zusammenstreichen und fünf Milliarden an neuen Steuern auf Grundbesitz und Wasser erheben. Auf der Streichliste stehen Tausende von Stellen im öffentlichen Dienst, Sozialausgaben, Pensionen. Die Studiengebühren werden ebenso wie einige Steuern erhöht. Selbst der Premier räumte ein, dass der Lebensstandard für jeden im Land sinken werde.
EU-Finanzkommissar Olli Rehn lobt das Sparpaket aus Dublin als ausgewogen. Irlands Entschlossenheit, sein Defizit abzubauen, biete ein «solides Fundament» für die bevorstehenden Verhandlungen. Vor den Absperrungen vor Cowens Amtssitz versammelten sich rund 100 Demonstranten, um gegen die Sparpolitik der Regierung zu demonstrieren. «Das ist ein Fahrplan zurück in die Steinzeit», sagte Jack O'Connor, Präsident der grössten irischen Gewerkschaft SIPTU. «Irland braucht einen Plan für Wachstum, dieser Plan aber wird genau das Gegenteil erreichen.»
Analysten skeptisch
Der irische Radiosender RTE meldete unterdessen, etwa die Hälfte der 85 Milliarden Euro aus dem Rettungspaket sei zur Deckung des Staatsdefizits bis 2013 vorgesehen und der Rest zur Aufstockung der Barreserven der Banken. Finanzanalysten äusserten sich skeptisch über Cowens Angaben und erklärten, zur Rettung Irlands vor dem Staatsbankrott sei wesentlich mehr Geld notwendig.
Der Finanzexperte Constantin Gurdgiev vom Trinity College in Dublin sagte: «Die Regierung verschliesst die Augen vor der Tatsache, wie viel Geld sie sich leihen muss.» Irland benötige zwischen 120 Milliarden Euro und 130 Milliarden Euro zu einem niedrigen Zinssatz, um sein Defizit nicht noch weiter zu erhöhen. Gurdgiev verglich die Lage Irlands mit der Griechenlands. «Unsere Wirtschaft ist mehr als drei Mal so überschuldet wie Griechenland», sagte er. «Wenn Griechenland insolvent ist, was sind wir dann?»
An der Börse in Dublin setzten die Bankenwerte am Mittwoch den dritten Tag in Folge ihre Talfahrt fort. Die Aktie der Bank of Ireland fiel um 27 Prozent auf ein Rekordtief von 0,22 Euro. Die Werte der Allied Irish brachen um 28 Prozent auf 0,27 Euro ein.
dapd/647,rd/mi
dapd/jak
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