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Die Südostbahn fährt direkt in die Südschweiz. Italienisches Lebensgefühl am Mittag gefällig? Ma sicuro!
Tina Bremer
Direkte Verbindung über die alte Gotthard-Bergstrecke ins Tessin: Der kupferfarbene «Treno Gottardo» hat auf dem Weg nach Locarno soeben Bellinzona verlassen.
Foto: Markus Schälli
Wie ein grauer Vorhang hängt derNebel über der Stadt, verschleiert den Himmel und das Gemüt. Am Bahnhof in Zürich fegt ein kalter Wind über regennassePerrons. Seit Tagen Stimmungstief statt Frühsommergefühle – und das im Mai. Auf Gleis 8 wollen wir die Tristesse hinter uns lassen.
Seit Dezember bietet die Schweizerische Südostbahn AG mit dem «Treno Gottardo» eine umsteigefreie Direktverbindung ins Tessin an. Auf der alten Gotthard-Bergstrecke, die 1882 mit der Eröffnung des Scheiteltunnels eingeweiht wurde.
Über Airolo und durch das Leventinatal geht es in die Sonnenstube der Schweiz. Der kupferfarbene Zug soll uns heute nach Bellinzona bringen, wo der lombardische Dialekt so häufig wie nirgendwo sonst in den Strassen tönt, die Italianità allgegenwärtig ist.
In Vergessenheit geratene alte Bahnstrecke
«Die schönste Verbindung zwischen Nord und Süd», preist die Betreiberin ihre Panoramastrecke an. Als der 57 Kilometer lange Gotthard-Basistunnel 2016 eröffnet wurde, geriet die alte Bahnstrecke in Vergessenheit, zu verlockend schien vielen Reisenden die Zeitersparnis.
Dabei liegen einige der schönsten Wasserfälle, Wanderwege und Brücken entlang der alten Strecke – die jetzt dankzahlreicher Stopps wiederentdeckt werden können.In Kooperation mit den SBB verbindet der «Treno Gottardo» im Stundentakt abwechselnd Zürich und Basel mit dem Tessin.
Vor den grossen Panoramafenstern gehen Tannen und Fichten in Palmen über, wird die Luft an jedem Bahnhof wärmer. An der Seepromenade in Flüelen ziehen Segelboote vorbei, in Wassen steht die alte Pfarrkirche im Sonnenschein. Vom Zug aus kann man sie von drei Seiten aus bewundern – den Kabarettisten Emil inspirierte die Perspektive zum Stück «S Chileli vo Wasse».
Weil der Zug hier durch zwei Kehrtunnel fährt, in denen er in kurzer Distanz rund 200 Höhenmeter gewinnt, ist «s Chileli vo Wasse» dreimal aus unterschiedlichen Perspektiven zu bestaunen.
Foto: Getty
In den offenen Abteilen des Zuges haben es sich die Passagiere auf den bordeauxroten Sitzen gemütlich gemacht, eingedeckt mit Cappuccino und Knabbereien aus den Bistrozonen.
Bei Göschenen geht es in den Gotthard-Bahntunnel. Die Kleinen an Bord kümmert es wenig, dass keine Wiesen, Berge und Seen vor den Fenstern mehr zu sehen sind – die Wimmelbilder im Familienabteil sind für sie grad so interessant: Da sausen Skifahrer die Wände herab und radeln Kinder über die Tische.
Nach 15 Kilometern geht die Erlebnisfahrt bei Tageslicht weiter. Ein paar Kilometer vor Biasca ein Highlight im wahrsten Sinne des Wortes: der Biaschina-Viadukt, das zweithöchste Brückenbauwerk der Schweizer Nationalstrassen. In hundert Meter Höhe sausen Autos an uns vorbei. Und dann ist es auch schon so weit – wir fahren im Bahnhof von Bellinzona ein.
Schlüssel und Tor zu Italien
«Dieser Platz ist Schlüssel und Tor zu Italien», schrieb Kriegskommissär Azzo Visconti 1475 an den Herzog von Mailand und unterstrich damit die strategische Bedeutung Bellinzonas.
Das Wahrzeichen von Bellinzona: Das Castelgrande gehört mit den andern beiden Burgen der Tessiner Kantonshauptstadt – Sasso Corbaro und Montebello – zum Welterbe der Unesco.
Foto: Getty
Wie ein Trichter liegt die Hauptstadt des Tessins an der Talenge, an der viele Passrouten zusammenlaufen. Als Schutz vor Feinden dient die als Unesco-Weltkulturgut deklarierte Festung schon lange nicht mehr, dafür als beliebtes Ausflugsziel.
Vom Castelgrande – der Eingang zum Aufzug ist in Gedenken an Viscontis Ausspruch in Form eines Schlüssellochs gestaltet – geht der Blick über Kastanienwälder weit ins Tal. In den Gärten der Burghänge wachsen Orangen, Feigen und Wein, sie dienten in Krisenzeiten als Vorratskammer für die Bevölkerung.
Ein Gelato im «Wohnzimmer» von Bellinzona
Das Teatro Sociale an der zentralen Piazza del Governo wurde Mitte des 19. Jahrhunderts nach Plänen des grossen Mailänder Architekten Giacomo Moraglia erbaut.
Foto: PD
Vorbei am Teatro Sociale, das der Mailänder Scala nachempfunden wurde, schlendern wir zur Piazza Collegiata, dem «Wohnzimmer» von Bellinzona. Einheimische und Touristen sitzen in Cafés in der Sonne und geniessen ihr Gelato. Samstags, wenn die Marktstände ihre Zelte aufschlagen, wird es voll in der Viale Stazione, die zurück zum Bahnhof führt.
Attraktion für Einheimische wie Touristen: Der samstägliche Markt in der Altstadt von Bellinzona.
Foto: Getty
Seit drei Jahren ist Marco Steiger hier mit seinem Bike-Port stationiert. Schon als Kind sauste er mit seinem Grossvater über die Berge in der Umgebung, heute verleiht er E-Bikes und MTBs und bietet Touren durch die Region an.Am Nachmittag machen wir mit dem 37-Jährigen einen Ausflug zu den Hungertürmen – die im Zuge einer Arbeitsbeschaffungsmassnahmeentstanden. Um den Hunger der aus Mailand ausgewiesenen Menschen zu stillen, erhielten diese Mitte des 19. Jahrhunderts den Auftrag, die zylinderförmigen Verteidigungstürme zu errichten, von denen noch fünf stehen. Auf unseren motorisierten Fahrrändern sausen wir von Turm zu Turm, belächeln Steigungen und Gegenwind.
Einer der fünf heute noch stehenden Hungertürme bei Camorino: Die zylindrischen Bauten sind der verbliebene Rest einer Festungsanlage aus 36 Türmen.
Foto: PD
Am Abend, wenn wir wieder im Zug nach Zürich sitzen, geht ihre Beleuchtung an, strahlen sie wie Leuchttürme in der Nacht. Was uns von einem Tag Italianità ausser schönen Erlebnissen bleibt: ein echtes Tessiner Risotto aus dem Bistroautomaten des «Treno Gottardo». Geht die Liebe doch durch den Magen.
In Zusammenarbeit von SonntagsZeitung und Südostbahn