«Kein Schimmer, wo das Fleisch herkommt»
Ein neuer Fleischskandal schockiert die Niederlande: Die Behörden riefen bereits 50'000 Tonnen Fleisch zurück. 500 europäische Betriebe sind betroffen. Konsumentenorganisationen reagieren empört.

Die niederländische Regierung hat schockiert auf den neuen Skandal um 50'000 Tonnen möglicherweise falsch deklarierten Fleisches reagiert. «Wir werden alles tun, um die Betrüger zu verfolgen», sagte die Staatssekretärin für Landwirtschaft, Sharon Dijksma, heute der Nachrichtenagentur dpa in Den Haag.
Der niederländische Grosshändler Willy Selten soll zwei Jahre lang Fleisch mit nicht nachgewiesener Herkunft als Rindfleisch an 502 Betriebe in Europa verkauft haben. Der Betrieb steht im Verdacht, schon mehr als zwei Jahre lang Rindfleisch mit Pferdefleisch vermengt und falsch deklariert zu haben. Die niederländischen Behörden hätten aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes die komplette Produktion für den Handel gesperrt und veranlasst, die Waren vom Markt zu nehmen. Es seien sämtliche Auslieferungen von Januar 2011 bis Mitte Februar 2013 gesperrt worden.
Foodwatch: Gesetze werden nicht durchgesetzt
Konsumentenschützer und die Lebensmittelbranche verlangten eine schnelle Aufklärung. Das Vertrauen der Konsumenten sei beschädigt, erklärte ein Sprecher der Lebensmittelindustrie. Alle Händler müssten so schnell wie möglich die Ware aufspüren.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch forderte Konsequenzen aus dem neuen Skandal. Der Rückruf von 50'000 Tonnen Fleisch zeige in «erschreckender Deutlichkeit, dass bestehende Gesetze nicht durchgesetzt werden», erklärte der stellvertretende Foodwatch-Geschäftsführer, Matthias Wolfschmidt.
Unternehmen und Behörden in ganz Europa hätten «offenbar überhaupt keinen Schimmer, wo das Fleisch herkommt». Dabei sei die lückenlose Rückverfolgbarkeit seit Jahren europarechtlich vorgeschrieben. Die Wirtschaftslobby habe sich bisher mit der Sichtweise durchgesetzt, dass ein Unternehmen nur seine Lieferanten kennen müsse und nicht alle Beteiligten der gesamten Produktionskette.
Deutschland stark betroffen
In der Schweiz wurde das Bundesamt für Gesundheit (BAG) über das Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel der Europäischen Union (RASFF) über den Fall informiert. Dies teilte Mona Neidhart, Mediensprecherin beim Bundesamt für Gesundheit, mit. Bis jetzt lägen keine Informationen über Lieferungen des betroffenen Rindfleisches in die Schweiz vor.
130 Zwischenhändler in den Niederlanden müssen nun die Ware aufspüren. Auch 370 Betriebe in verschiedenen europäischen Ländern – darunter Deutschland, Frankreich und Spanien – hatten Ware von dem Grosshändler gekauft. Sie wurden informiert, teilte die Behörde mit.
Von dem möglichen neuen Pferdefleisch-Skandal könnte Deutschland in grossem Ausmass betroffen sein. Der verdächtige niederländische Schlachtbetrieb soll 124 deutsche Betriebe beliefert haben, wie das Verbraucherschutzministerium mitteilte. Die Behörden überprüfen nun Händler, weiterverarbeitende Betriebe und Metzgereien in fast allen Bundesländern.
Ein Pferdefleisch-Skandal hatte Europa bereits Anfang des Jahres erschüttert. In mehreren Ländern waren Spuren von Pferdefleisch in Millionen Fertiggerichten entdeckt worden. Die EU-Kommission will nun am kommenden Dienstag eine Bilanz zu dem Skandal ziehen, wie der Sprecher von Gesundheitskommissar Tonio Borg in Brüssel ankündigte.
sda/AFP/rbi
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