«Berndeutsch macht mich manchmal ratlos»
Lorenz Pauli schreibt seit über zwanzig Jahren sehr erfolgreich Kinderbücher. Von Berndeutsch verlagerte er sich auf Hochdeutsch – aus ganz pragmatischen Gründen. Zu Besuch bei ihm in der Berner Länggasse.

Er ist sehr gross, aber kein Hüne, eher ein Spargel. Schlaksig, mit einer markanten Nase und geringelten Socken. Er könnte direkt einem seiner Bilderbücher entstiegen sein. Obwohl sich dort vornehmlich Tiere tummeln. Meerschweinchen, Bären und Leoparden. An seinem Arbeitsplatz im zweiten Stock des alten Reihenhauses in der Berner Länggasse hängen einige der Originalillustrationen. Die meisten stammen von Kathrin Schärer, mit der Pauli schon oft zusammengearbeitet hat. Erfunden werden die Geschichten von ihm.
Fauler Kindergärtner
Lorenz Pauli ist Kinderbuchautor. Er schreibt professionell – und nur für Kinder. Sein erstes Kinderbuch erschien vor über zwanzig Jahren, damals war der Berner nicht einmal dreissig Jahre alt, ein Kindergärtner. Und: «faul», sagt Pauli und lacht. Weil es ihm zu mühsam gewesen sei, sich durch die Flut von Büchern zu wühlen, um nach den guten Geschichten zu suchen, habe er einfach welche erfunden.
Zuerst vor allem auf Berndeutsch. «E chlyni Chue mit Wanderschue», ein Buch mit 101 Versen, wird heute noch von Kindern gern gelesen, sein Bienchenvers gehört in so mancher Kita zum Zähneputzritual: «Bienli, Bienli, du hesch’s guet, schnousisch, was die gluschte tuet, putzisch aber glich nie d’Zähn, so wär ig o Honig-Fän.»
Unmotivierter Banker
Mittlerweile schreibt Pauli vorzugsweise auf Hochdeutsch. «Berndeutsch macht mich manchmal ratlos», sagt er. Schöne, urchige Wörter wie «Chrouteri» (auf Hochdeutsch: komischer Kauz) dürfe er fast nicht mehr brauchen, weil er sonst nicht verstanden werde. Schon nur «schnaagge» verstehe man spätestens in Zürich nicht mehr.
Es gibt noch andere Gründe fürs Hochdeutsche: das Geld und die Verbreitung. «Der Markt in Deutschland ist grösser», erklärt Pauli, «und ich freue mich, wenn ich viele Bücher verkaufe.» 90 Prozent seiner Bücher setzt er heute in Deutschland ab. «Geld ist mir durchaus wichtig», sagt der 50-Jährige. Bevor er Kindergärtner wurde, hat er sogar eine Banklehre gemacht. «Ich dachte: ‹Yeah, Geld.›»
Doch auf der Bank gefiel es ihm nicht. Nicht zuletzt aus Trotz vollzog er eine 180-Grad-Wende und ging ans Kindergartenseminar. Kindergärtner blieb er bis vor drei Jahren. Seither setzt er ganz auf Kinderliteratur. Das brauchte Mut – trotz seiner Erfahrung. Oder, wie Pauli es ausdrückt: «Ich bin ein Höseler.»
Als Familienvater scheute er sich davor, die Sicherheit aufzugeben. Er wartete so lange, bis es nicht mehr ging, bis er so viel zu tun hatte, dass er nicht mehr allen Ansprüchen gerecht werden konnte. «Rückblickend hätte ich den Schritt schon einige Jahre früher wagen sollen», sagt er.
«Ich konnte besser schreiben, als ich noch kinderlos war.»
Schliesslich lastet nicht das gesamte Familienbudget auf Paulis Schultern. Er ist mit einer Psychologin verheiratet, die beiden teilen sich Erwerbs- und Hausarbeit. Meistens kocht Lorenz Pauli Mittagessen für die Kinder, weil er zu Hause arbeitet. Sonst sind Sohn Emil (14) und Tochter Luzia (12) schon recht selbstständig. Die beiden helfen, wenn sie wollen, auch bei Papas Projekten mit. «Luzia ist eine kritische Lektorin, Emil ein feinfühliger Fotograf für meine Website.»
Die Kinder haben sein Leben als Autor verändert: «Ich konnte besser schreiben, als ich noch kinderlos war.» Was im ersten Moment unlogisch erscheint, ergibt im zweiten Sinn: Ohne Kinder schreibt man unbeschwert, mit Kindern sind einem Elternsorgen plötzlich sehr nah. Der moralische Zeigefinger ist nicht weit. Aber: «Geschichten sollten abheben und fliegen.»
Huhn und Hund
Paulis Geschichten heben immer wieder ab. Und sie wurden auch schon mehrfach ausgezeichnet, zuletzt vor einem Jahr mit dem Prix Trouvaille der Literaturkommission des Kantons Bern. Und Pauli ist hochproduktiv: Pro Jahr erscheint mindestens ein Kinderbuch von ihm – zuletzt: «Geld zu verkaufen!» (siehe Kasten). Das nächste, wieder zusammen mit Kathrin Schärer, ist bereits in Planung: «Fell und Feder» wird es heissen, es erscheint im Herbst.
Die gleiche Geschichte wird nächstes Jahr als Kinderoper mit der Aargauer Philharmonie aufgeführt. Pauli schreibt das Libretto. Diesmal stehen ein Hund und ein Huhn im Mittelpunkt. Auch sie hängen vielleicht bald an der Wand über seinem Arbeitsplatz.
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