Die rechte und die linke Hand des Modezars
Die Modedesignerin Virginie Viard tritt die Nachfolge von Karl Lagerfeld bei Chanel an.

Die ganz grossen Namen waren im Gespräch – und jeder, der sie in all den Jahren weitertratschte, gab natürlich vor, es aus sicherer Quelle erfahren zu haben: Phoebe Philo, hiess es also, bis 2018 umjubelte Designerin bei Céline, sei die designierte Nachfolgerin. Oder Alber Elbaz, der Lanvin gross gemacht hat und schon länger ohne Job ist. Oder Hedi Slimane, der bei Dior Homme das superschmale Jackett erfunden hat, in das sich Lagerfeld dann legendärerweise hineinhungerte.
Am Ende wussten alle nichts. Wenige Stunden nachdem am Dienstag der Tod von Karl Lagerfeld vermeldet worden war, gab Chanels CEO, Alain Wertheimer, bekannt, dass dessen engste Mitarbeiterin in Zukunft die Kollektionen verantworten werde – «damit das Erbe von Gabrielle Chanel und Karl Lagerfeld weiterleben kann». Seitdem rätseln nicht nur Aussenstehende: Wer ist Virginie Viard?
Rückblickend hat Lagerfeld sie bereits behutsam ins Rampenlicht geschoben. Im Oktober in Paris sowie bei der Métiers-d'Art-Show im Dezember in New York nahm sie an seiner Seite die Ovationen entgegen; im Januar bei der Haute Couture, als der Designer längst schwer krank war, trat sie dann schon alleine vors Publikum. 30 Jahre lang war Viard «die rechte und die linke Hand» Karl Lagerfelds, wie dieser selbst sagte, sie interpretierte seine Skizzen, beaufsichtigte die Ateliers, half bei den Anproben und beim Casting – und doch wusste man nahezu nichts über sie. Das war durchaus so gewollt. Es darf nur eine Sonne geben am Chanel-Firmament, und das war seit 1983 nun mal der grosse Karl. Jetzt ist sie an der Reihe.
Sie mag keine hohen Absätze
Virginie Viard ist als Tochter eines Chirurgen in Lyon geboren worden, nicht mal ihr exaktes Alter ist bekannt – sie dürfte Mitte fünfzig sein. In Lyon besuchte sie die Modeschule und arbeitete zunächst als Kostümbildnerin – die Kostüme in Krzysztof Kieslowskis «Drei Farben: Blau» sind von ihr. Sie kam 1987 zu Chanel und begann dort als Praktikantin in der Haute Couture. Im Atelier galt sie bald als «Geheimwaffe» und engste Vertraute von Karl Lagerfeld. Sie waren im ständigen Austausch und telefonierten täglich. Viard lebt mit ihrem Partner zusammen, einem Musikproduzenten – der gemeinsame Sohn lief vor vier Jahren über den Chanel-Laufsteg.
Es ist keine glamouröse Personalie und doch sehr klug ausgesucht – nicht nur, weil das Haus seit dem Tod von Coco Chanel erstmals wieder von einer Frau geleitet wird. Viard kennt das Chanel-Getriebe mit seinen tausend ineinandergreifenden Rädchen auswendig, sie hat die Coco-Bildsprache verinnerlicht und wird sie mutmasslich weiterführen – mit ein paar Modernisierungen hier und da. Ein völlig neuer Look wäre kontraproduktiv, der Konzern hat 2017 satte 9,6 Milliarden Dollar umgesetzt, und der weltweite Bedarf an Tweed-Jacken mit gefranstem Saum und dem berühmten Doppel-C scheint ungebrochen.
Viards eigener Stil ist übrigens eine Mischung aus Chanel mit viel Denim- und eher rockigen Lederteilen, hohe Absätze mag sie gar nicht. «Ich bin ohnehin gross und mag es nicht, wenn man mich anschaut.» Das dürfte schwierig werden: Wenn am 5. März im Pariser Grand Palais die nächste Chanel-Kollektion vorgeführt wird, werden alle Augen diesmal nur auf sie gerichtet sein.
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