Wieso kommt Tinu Heiniger, ein Doyen der Schweizer Liedermacher, immer wieder nach Melchnau und beginnt dieses Jahr sogar seine neue Tournee im kleinen Oberaargauer Dorf? Der Grund liegt viele Jahre zurück: Damals spielte er auf Einladung von Pfarrer Michael Dähler erstmals im Löwensäli. Gastgeberin Sabine Eichenberger war derart beeindruckt, dass sie Tinu Heiniger bat, wieder in ihrem Gasthof aufzutreten. Das tut er nun mit schöner Regelmässigkeit. Und zwar auf der Bühne im ehrwürdigen Saal aus den 50er-Jahren. Dabei ist es Ehrensache, dass Ernst Eichenberger, Wirt und Koch des Restaurants, das Bühnenbild der Jodler mit dem Bauernhaus, den Hügeln und Bergen im Hintergrund aus dem Estrich holt. Für Tinu Heiniger ist es inzwischen eine Herzensangelegenheit, in diesem heimeligen Gasthof mitten im Dorf zu konzertieren. Die letzten beiden Male gastierte er mit Bänz Friedli und dem Programm «Heiniger Abend und Friedli auf Erden».
Tiefgang und Poesie
Tinu Heiniger begrüsst die Besucher im voll besetzten Saal am Sonntagabend, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass «seine» SCL Tigers in Langenthal gerade jetzt ein Playoff-Halbfinalspiel absolvieren. Musikalisch eröffnet er den Abend mit «Aut», dem ersten Titel auf seinem neuen Album, welches live in Holland eingespielt wurde. Ein schönes Intro begleitet von sanften Geigenklängen von Pudi Lehmann. In diesem epischen Lied sinniert der 69-Jährige über das Unausweichliche. «In meinem Alter gehört der Tod dazu», sagt der begnadete Geschichtenerzähler. Seine Lieder sind nicht nur traurig oder nachdenklich, sondern versprühen viel Schalk und Lebensfreude. Genauso wie der 69-Jährige manchmal wie ein Lausejunge mit Flausen im Kopf wirkt, etwa wenn er mit einer Schimpfwörterballade made in Emmental loslegt. Heiniger ist eben «E guete Siech» wie in seinem gleichnamigen Lied.
Er wohnt schon lange im Aargau, ist aber nach wie vor fest verwurzelt im Emmental und zeigt seine Gefühle und Liebe zur Heimat, ohne verklärt zu wirken: «Heimat liegt in der Sprache, in diesem Berndeutsch, das sich nicht lösen lässt von den Högern und Chrächen im Emmental.»
Verby isch nid verby
Seine professionelle Band überzeugt mit Bassist Wolfgang Zwiauer, Schlagzeuger Gert Stäuble und Multiinstrumentalist Pudi Lehmann. Mit ihm musiziert Tinu Heiniger schon mehr als 50 Jahre. Der Multiinstrumentalist, der wie Tinu Heiniger aus Langnau kommt, spielt virtuos Trompete, Posaune, Violine und Hang.
Als grosser Jazzfan, insbesondere von Chris Barber, lässt es sich Tinu Heiniger nicht nehmen, auf der Klarinette die viel besungene «Isle of Capri» zu spielen. Die mitreissenden Rumbarhythmen erinnern an die Zeit, als er und Pudi Lehmann mit den Saratoga Swingers unterwegs waren. Ein zarter Hauch von Wehmut und Xylofonklänge schweben über dem Löwensaal, als die Heiniger-Hymne schlechthin, «Oberhofe am Thunersee», ertönt. Das Publikum singt die bekannten Worte und erinnert sich zusammen mit Tinu Heiniger daran, als er als Klein Tini auf einem weissen Dampfschiff an der Hand seiner Mutter, in deren Tasche es Schokolade hat, oben in der ersten Klasse jenen berühmten Sänger sieht, der seinem Lied die Melodie leiht: Harry Belafonte.