Lachen und Lauschen für das Klima
Für den Klimaschutz auf die Strasse zu gehen, ist das eine, selber nachhaltig zu leben, das andere. Genau dieses Themas nahm sich das «Zukunftsweekend» in Köniz an.
Köniz, Gymnasium Lerbermatt, 9.15 Uhr: Der Eingangsbereich füllt sich nach und nach mit Jugendlichen. Für die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten der «Lerbere» Alltag. Aber es ist Samstag. Sie und alle anderen verbringen freiwillig das ganze Wochenende im roten Backsteingebäude. Nicht etwa, um Schulstoff zu büffeln, sondern um etwas über das Thema Nachhaltigkeit zu lernen. Eine von ihnen ist die 14-jährige Estelle aus Köniz. «Um etwas auszuprobieren.» Sie lebe zwar als Vegetarierin bereits nachhaltig, aber möchte in diesem Bereich noch dazulernen.
Beim Auftaktspiel des «Zukunftsweekends», als sich die 33 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach Essgewohnheiten gruppieren sollen, zeigt sich schnell, dass Estelle in bester Gesellschaft ist. Bis auf drei ernähren sich alle vegetarisch, einige wenige sogar vegan. Vegan sind auch die Schokoladenbonbons, die beim ersten Workshop zum Thema Achtsamkeit und Meditation verteilt werden.
Es gilt, das «Täfeli» erst sorgfältig abzutasten, intensiv daran zu riechen, ehe man es sich bewusst auf der Zunge zergehen lässt. Der Kursleiter spricht eingehend über das Thema Achtsamkeit bei der Ernährung, aber auch beim Einkaufen oder beim Reisen. Er betont, dass Achtsamkeit und Meditation eine Frage der Übung seien. Staunen breitet sich auf den Gesichtern der Jugendlichen aus, als er erzählt, dass er in Seminaren bis zu fünf Stunden am Stück meditiert.
Idee kommt aus Deutschland
Alles andere als meditativ ist der Tag für die drei Organisatorinnen Melanie Müller (27), Anja Kammermann (24) und Lara Stettler (21). Das dicht gedrängte zweitägige Programm mit insgesamt 20 Referentinnen und Referenten auf die Beine zu stellen, sei nur möglich gewesen, da alle drei erst ab Sommer wieder voll arbeiten oder studieren würden, erzählt Müller. Sie war es auch, die die Idee dafür von einem Kongress letzten Herbst in München mit in die Schweiz brachte.
In Deutschland seien bildungspolitische Festivals gang und gäbe. Obwohl die meisten Jugendlichen über den Klimastreik darauf aufmerksam wurden, fand die Organisation unabhängig von der Klimajugend statt. «Wir konnten zwar Synergien nutzen, aber da wir auch Stände und Referenten von politischen Parteien haben, wäre das nicht mit dem Grundsatz der Parteilosigkeit der Klimajugend einhergegangen», erzählt die Oberstufenlehrerin.
Die erste Referentin, SP-Nationalrätin Nadine Masshardt, hat Estelle, die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen will, am meisten imponiert. «Wie sie als Frau und in so jungem Alter ihren Weg als Politikerin gegangen ist, hat mich beeindruckt.» Über Masshardts Aussage, dass der Altersdurchschnitt im Nationalrat bei 55 liege, könne sie nur den Kopf schütteln.
Ältere Leute in der Politik würden sich generell zu wenig für den Klimaschutz einsetzen, da es sie persönlich nicht mehr betreffe, ist sie überzeugt. Apropos ältere Leute: Am Beispiel ihrer Grosseltern, die in Südfrankreich leben, erklärt Estelle, dass es beim Klimaschutz immer um den guten Kompromiss gehe. «Ich möchte später nicht sagen müssen, ich hätte zwar das Klima geschützt, aber dafür meine Grosseltern nie besucht.»
Veränderung, nicht Verzicht
Kompromisslos gehts weiter mit dem Essen: vegan, frisch zubereitet, mit Zutaten vom «Gmüesgarte», der nicht normiertes Gemüse weiterverkauft, und aus eigens mitgebrachtem Geschirr. Wie Essensreste nachhaltig verpackt werden können, lernt Estelle im nächsten Workshop, wo zwei ETH-Studenten der Umweltnaturwissenschaften mit den Jugendlichen Bienenwachstücher aus alten Stoffen herstellen. Aber nicht jeder Programmpunkt gefällt der 14-Jährigen. «Etwas komisch» habe sie das Lachyoga gefunden. Viel mit Klimaschutz habe das nicht zu tun gehabt, meint Estelle trocken.
«Wenn man nicht immer von Verzicht, sondern von Veränderung spräche, könnte man die Leute eher erreichen.»
Beim letzten Workshop dreht sich alles wieder nur um den Klimaschutz. In einer kleinen Gruppe wird über das Thema Eltern und Nachhaltigkeit diskutiert. Wider Erwarten der Kursleiterin stiessen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit ihren Nachhaltigkeitsideen zu Hause nicht auf viel Gegenwehr. Sie habe ihre Eltern bereits dazu bewegen können, zu Fuss beziehungsweise mit dem Velo zur Arbeit zu gehen, erzählt Estelle. Sie ist überzeugt, dass es oft um die falsche Formulierung gehe. «Wenn man nicht immer von Verzicht, sondern von Veränderung spräche, könnte man die Leute eher erreichen.» Und sie kein Fan von radikalen Veränderungen. Sondern von guten Kompromissen.
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