Poetry-Slam in LangenthalMeisterhafte Dichterschlachten
Slam-Poetry ist in der Schweizer Kulturszene angekommen. In diesem Jahr finden die Schweizer Meisterschaften in Langenthal statt.

Ein Poetry-Slam ist eine moderne literarische Veranstaltung. Jeder kann mitmachen. Dadurch entstehen vielseitige Auftritte. Abgesehen von ein paar Grundregeln, die eingehalten werden müssen, gibt es keine kreativen Grenzen. Viele Texte sind witzig, andere melancholisch oder politisch.
Am Donnerstagabend startete die Schweizer Meisterschaft in Slam-Poetry. Im Langenthaler Old Capitol fand der U-20-Final statt. Eine Traube junger Menschen strömt kurz vor Beginn der ausverkauften Veranstaltung ins Capitol. Im Inneren herrscht eine aufgeregte Stimmung, im Halbdunkeln wird getuschelt und gekichert, die kleine Bühne ist noch leer.
Dann treten die Moderatorinnen Miriam Schöb und Gina Walter auf die Bühne und erklären, wie ein Poetry-Slam funktioniert. Grundsätzlich gibt es fünf Regeln:
- Der vorgetragene Text muss selbst geschrieben sein.
- Der Text darf maximal zu kleinen Teilen gesungen sein.
- Man kommt auf die Bühne, wie man ist, keine Requisiten, keine Kostüme.
- Der Auftritt dauert maximal 6 Minuten, wird ansonsten von Moderatoren abgebrochen.
- Die fünfte Regel gilt fürs Publikum und heisst: Respect the Poet.
Slam-Poetry als Beruf
Slam-Poetry entstand 1986 in den USA. In den 90er-Jahren fand sie ihren Weg nach Europa. Seit damals ist viel passiert. Seit 2010 gibt es die Schweizer Meisterschaft, die jedes Jahr an einem anderen Ort stattfindet. Ausserdem gehören viele Persönlichkeiten wie Patti Basler, Hazel Brugger und Gabriel Vetter zur «Slamily» oder starteten sogar ihre Karriere mit Slam-Poetry.
Ein gutes Beispiel für die Verbreitung von Slam-Poetry ist Valerio Moser. Der 34-Jährige lebt seit 2016 von seiner Kunst, tritt auch in Österreich und Deutschland auf. Er ist Teil des sechsköpfigen Teams, welches in den vergangenen Monaten die diesjährige Schweizer Meisterschaft organisierte. Moser veranstaltet auch den regelmässig stattfindenden «Chrämer-Slam» im Chrämerhaus Langenthal.

Der CH Slam 2023 liegt ihm als Langenthaler besonders am Herzen «Einerseits will ich der Slam-Szene zeigen, was in Langenthal möglich ist, gleichzeitig will ich Langenthal zeigen, wie cool Slam ist.»
Besonderheit des Poetry-Slam
Poetry-Slam lässt sich sinngemäss mit «Dichterwettstreit» oder «Dichterschlacht» übersetzen. Auch wenn der Wettbewerb zwischen den Auftretenden nicht im Mittelpunkt stehen soll, ist es gerade das demokratische Bewertungssystem, das diese Form von Lyrik von anderen unterscheidet. Die Jury ist das Publikum, sechs Notenblöcke, mit Zahlen von eins bis zehn, werden an möglichst neutrale Zuschauer verteilt. Diese bewerten dann die verschiedenen Auftritte. Die höchste und die tiefste Bewertung werden jeweils gestrichen.

Am U-20-Final im Capitol trat ausserdem eine Poetin als sogenanntes Opferlamm auf. Das heisst, eine Person, die nicht am Wettbewerb teilnimmt präsentiert vor allen anderen einen Text, an dessen Bewertung sich die Publikumsjury den restlichen Abend orientieren kann. Das Opferlamm im Capitol war niemand Geringeres als die amtierende U-20-Schweizer-Meisterin Fine Degen. Für ihren pfiffigen Text über den Wanderpokal, den sie 2022 mit nach Hause nahm, bekommt sie 36,6 von 40 möglichen Punkten.
Von neun Poeten und Poetinnen dürfen die drei mit den besten Punktzahlen mit einem zweiten Text im Stechen um den Sieg kämpfen. Am Ende setzt sich die 19-jährige Joelle Leimer aus Basel knapp durch. Ihr erster Text «Sie und Er» überzeugte mit präziser Sprache und auswendig vorgetragener, gefühlvoller Performance. In beiden Texten spielt Leimer mit Perspektiven, die zum Nachdenken anregen. Sie erzählt von tragischen Schicksalen und der fehlenden Empathie anderer. Während ihrer Auftritte hätte man eine Stecknadel im Capitol fallen hören können, dafür war der Applaus umso tosender.
Kurz nach der Preisübergabe fehlen Joelle Leimer die Worte: «Ich kann es gerade noch gar nicht richtig fassen, es hat so Spass gemacht!», erzählt sie strahlend. Die ersten Glückwünsche erhielt sie von ihren Mitstreitern noch auf der Bühne.
Am Donnerstag fanden ausserdem die ersten zwei Vorrunden für den grossen Final am Samstag statt. Dort wird sich zeigen, wer dieses Jahr der beste Slam-Poet oder die beste Slam-Poetin der Schweiz wird.
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