Der neue Kurs beim SC BernMit Kahun und Kompetenz: Bern sendet Signale an die Konkurrenz
Der SCB gewann Titel im Akkord. Dann folgte der Absturz. Der Club hat reagiert – und er investiert.

Manchmal kann die Gegenwart nicht einziehen, weil sich die Vergangenheit beharrlich weigert, ihr Platz zu machen.
Beim SC Bern hingegen verläuft diese «Züglete» reibungslos – weil von der Vergangenheit niemand mehr etwas wissen will.
Quarantänen im Akkord, sportliche Krise, finanzielle Zwänge, Chaos in der Sportabteilung, Ränkespiele und Kühltruhenklima: So lange ist das noch gar nicht her in Hockeybern. Immerhin endete die vergangene Saison einigermassen versöhnlich: Das 2:4 im Viertelfinal gegen den EV Zug galt als Achtungserfolg. Was einiges über den Status des einstigen Serienmeisters aussagt.
Nun soll bei den Bernern vieles anders sein. Wobei zumindest die finanziellen Zwänge noch immer vorhanden sind – respektive sein müssten. Rund neun Millionen Franken hat die Organisation im vergangenen Geschäftsjahr durch diverse Massnahmen eingespart, vom Bund erhielt der SCB knapp sechs. Es blieb ein Minus von anderthalb Millionen, was dem grössten Verlust seit 1998 und dem Beinahe-Konkurs entspricht.
Bern setzt auf breitere Betreuung
Geschäftsführer Marc Lüthi sagt: «Die Ungewissheit bleibt bestehen. Wir müssen finanziell nach wie vor mit angezogener Handbremse unterwegs sein.» Dennoch hat der Club investiert – kurzfristig weniger in die Mannschaft, sondern verstärkt ins Umfeld, in die Betreuung.
Das sportliche Malaise mit zwei neunten Rängen hat dem Liga-Schwergewicht in den letzten beiden Jahren selbstredend geschadet. Heftiger ins Gewicht fiel aber der drohende Verlust des Images als professionell geführte Sportorganisation. Weshalb der Club vornehmlich für den Bereich der sportlichen Führung Geld aufgewendet hat.
Der SCB beschäftigt einen Sportdirektor (Raeto Raffainer), einen neuen Sportchef (Andrew Ebbett), einen neuen vierköpfigen Trainerstab (Johan Lundskog, Christer Olsson, Mikael Hakanson, Jeff Hill) und einen Athletiktrainer (Roland Fuchs). Zudem kam Léo Girod aus Lausanne als Videocoach und Datenanalyst. Mit Lukas Christen, dem siebenfachen Goldmedaillengewinner an Paralympics, beschäftigen die Berner neuerdings auch einen Performance-Coach. Er soll die Spieler unter anderem im mentalen Bereich unterstützen.
«Wenn du die Philosophie verfolgst, Spieler zu entwickeln, darfst du im Betreuerstab nicht sparen.»
Raffainer sagt: «Wenn du mittel- und langfristig die Philosophie verfolgst, Spieler zu entwickeln, darfst du im Betreuerstab nicht sparen.» CEO Lüthi sagt: «Ja, der Staff ist breit, aber immer noch wesentlich günstiger als jener während der Finnen-Ära.» Was Lüthi nicht sagt: Der zweifache Meistertrainer Kari Jalonen verdiente über 600’000 Franken pro Jahr.
An Projekten und Vorsätzen fehlt es nicht: Ein Leistungszentrum ist in Planung, Sportchef Ebbett will die Zusammenarbeit mit der Nachwuchsabteilung intensivieren. Und Trainer Lundskog stellt den Begriff «Entwicklung» über alles. Der 36-jährige Schwede, letzte Saison als Assistent in Davos tätig, führt erstmals ein Profiteam als Headcoach. Er sagt: «Natürlich geht es um den unmittelbaren Erfolg: Wir brauchen jüngere Spieler, die das Vakuum im Kader füllen können. Aber auch für den nachhaltigen Erfolg braucht der SCB ein gutes Entwicklungsmodell.»
Noch kein Topteam, aber ein paar Transfers als Signal
Für die am Dienstag beginnende Saison sind die Berner kein Kandidat für einen Spitzenplatz. Raffainer verortet das Potenzial der Mannschaft zwischen Rang 6 bis 8. «Wir als Unternehmen und die Leute im Umfeld müssen verstehen, in welcher Situation wir stecken: Der SCB stellt kein Topteam mehr, wie man sich das in Bern gewohnt war.» Der Sportdirektor hofft, dass es vor diesem Hintergrund nicht gleich «ein Cabaret geben wird, wenn wir ein paar Spiele in Folge verlieren und am Strich kämpfen».

Spätestens in drei Jahren soll der SCB wieder um den Titel spielen und ein «Top-4-Kader stellen». So sagt das Raffainer. Erste Signale hat der Club mit der Verpflichtung der Schweizer Nationalspieler Joël Vermin (Servette) und Romain Loeffel (Lugano) ab der Saison 2022/23 sowie der vorzeitigen Vertragsverlängerung mit Ramon Untersander gesendet. Zudem kann Bern ab sofort für drei Jahre auf die Dienste des 26-jährigen Deutschen Dominik Kahun zählen.
Die Vertragssituation gibt viel Spielraum – über ein Dutzend Kontrakte laufen im Frühling aus. Allerdings werden die erwähnten Spieler das zur Verfügung stehende Budget bereits gehörig belasten.
Sportchef Ebbett kanalisiert die Berner Bemühungen in einer Botschaft: «Seht her: Wir wollen zurück an die Spitze.»
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