Nach diesem Schlüssel will die EU Flüchtlinge verteilen
Bevölkerung, Wirtschaft, Asylanträge: Die EU-Kommission stellt die Kriterien vor, nach denen die Mitgliedsstaaten Migranten aufnehmen sollen. Damit ist auch klar, wer den grössten Anteil trägt.

Flüchtlinge sollen nach dem Willen der EU-Kommission künftig gerechter auf die einzelnen Mitgliedsländer der Europäischen Union verteilt werden können. Noch vor Ende des Monats solle ein zeitlich befristetes Quotensystem für Menschen eingeführt werden, «die eindeutig internationalen Schutz in der EU benötigen», erklärte die Behörde in Brüssel bei der Vorstellung ihrer neuen Flüchtlings- und Migrationsstrategie. Ende des Jahres werde ein Vorschlag für ein dauerhaftes gemeinsames EU-System für «krisenbedingte Umsiedlungen infolge eines Massenzustroms von Migranten folgen». hiess es.
Während Pläne für ein Quotensystem schon länger diskutiert werden, sind nun erstmals die genauen Kriterien und die Gewichtung des Verteilschlüssels bekannt geworden:
- Die Bevölkerung des Mitgliedsstaates zählt zu 40 Prozent,
- ebenso fällt die Wirtschaftskraft mit 40 Prozent ins Gewicht.
- Zu 10 Prozent zählen die Zahl der bisherigen Asylanträge und er aufgenommenen Flüchtlinge.
- Die Arbeitslosenquote in dem EU-Staat wird zu weiteren 10 Prozent berücksichtigt.
Deutschland soll nach dem Willen der EU-Kommission im Quotensystem die meisten Flüchtlinge aufnehmen. Über die kommenden zwei Jahre sollen im Rahmen eines Pilotprojekts insgesamt 20'000 Menschen aufgenommen werden, schlug die EU-Kommission in ihrem Migrationspaket vor. Auf Deutschland entfallen demnach in dem System 18,42 Prozent, gefolgt von Frankreich und Italien. Die Brüsseler Behörde versucht damit eine Antwort auf den Zustrom von Flüchtlingen aus Afrika und Bürgerkriegsländern wie Syrien.
Zudem schlägt die EU-Kommission vor, härter gegen Schleuserbanden vorzugehen und die legale Zuwanderung etwa von qualifizierten Arbeitskräften in die EU-Staaten zu erleichtern.
Bodeneinsätze ja oder nein?
Neben einem Quotensystem will die EU-Kommission als weitere Sofortmassnahmen die Kapazitäten und Ressourcen für die Einsätze «Triton» und «Poseidon» der Grenzschutzagentur Frontex im Mittelmeer für 2015 und 2016 verdreifachen.
Ferner schlug sie Einsätze im Mittelmeer vor, mit denen gegen die Menschenschleuser vorgegangen werden soll. Diese sollen laut dem britischen «Guardian» auch Bodeneinsätze in Libyen beinhalten. «Die Operation würde ein breites Spektrum an Luft-, See-, und Landkräften benötigen», zitiert die Zeitung aus dem EU-Strategiepapier. Darunter Aufklärung, Überwachung, Patrouillen (Land und See), amphibische Einheiten und Spezialkräfte.
Das Vorgehen gegen die Menschenschmuggler soll «Einsätze entlang der Küste, in Häfen oder an Ankerplätzen von Schmugglerschiffen» beinhalten können. Bislang hätten Diplomaten in Brüssel den Einsatz von Bodentruppen abgelehnt. Das Strategiepapier zeige aber, so die Zeitung, dass sie dennoch nicht kategorisch ausgeschlossen werden.
Demgegenüber stellte die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini klar, dass keine Militäroperationen im Libyen geplant seien. Es gehe um einen Marineeinsatz im Einvernehmen mit libyschen Vertretern, sagte sie gegenüber der «Zeit». Auf die Frage der Zeitung, ob es um den Einsatz von Bodentruppen gehe, sagte Mogherini: «Ganz klar: nein.»
Unter Federführung der ständigen Sicherheitsratsmitglieder Grossbritannien und Frankreich arbeiten zurzeit mehrere EU-Staaten an einem UNO-Resolutionsentwurf, der «alle notwendigen Mittel» gegen Schlepperboote legitimieren würde. Er könnte bereits in den kommenden Tagen fertiggestellt werden. Die UNO-Vetomacht Russland ist allerdings gegen einen Einsatz zur Zerstörung von Booten. Auf die russische Regierung müsse noch eingewirkt werden, hiess es aus Diplomatenkreisen.
Neuansiedelungsprogamm für anerkannte Flüchtlinge
Als weitere Sofortmassnahme kündigte die EU-Behörde bis Ende Mai ein EU-weites Neuansiedlungssystem an, das verteilt auf alle Mitgliedstaaten Platz für 20'000 Flüchtlinge anbieten soll.
«Europa kann dem Sterben im Mittelmeer nicht tatenlos zusehen», erklärte der für Migration zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos. Die Europäische Migrationsagenda, die noch weitere und langfristigere Schritte enthält, sei «die konkrete Antwort auf das dringende Gebot, Leben zu retten und die Länder an den EU-Aussengrenzen mit beherzten Massnahmen zu unterstützen».
Folgen für die Schweiz unklar
Die Schweiz begrüsst die Vorschläge der EU-Kommission für eine Neuausrichtung der europäischen Flüchtlingspolitik. Zu den Details will sich Bundespräsidentin und Justizministerin Simonetta Sommaruga derzeit nicht äussern. Selbstverständlich begrüsse die Schweiz, dass die EU Diskussionen über solidarische und gesamteuropäische Lösungen führe, um weitere Tragödien im Mittelmeer zu verhindern, sagte Sommaruga vor den Medien in Bern. «Wir sind der Meinung, dass die Diskussion in eine gute Richtung geht.»
So spreche man nun zum Beispiel von einem Verteilschlüssel. Dafür habe sie sich bereits früher ausgesprochen. «Es braucht jetzt aber Taten und nicht nur Worte», sagte Sommaruga. Die Schweiz wolle an Lösungen mitarbeiten. Die Aufnahme von 20'000 besonders verletzlichen Personen könne aber nur ein «erster Schritt» sein, sagte die Bundesrätin. Ob Beschlüsse zu einem Verteilschlüssel für die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied, aber assoziiertes Mitglied von Schengen und Dublin verpflichtend wären, steht laut Sommaruga noch nicht fest. Ohnehin müsse die Umsetzung der Vorschläge noch entwickelt werden.
London ist gegen Quoten
Die Vorschläge, die von den EU-Staaten abgenickt werden müssen, sehen das Recht für Grossbritannien, Irland und Dänemark vor, sich dem Quotensystem nicht anzuschliessen. Die britische Regierung hat wie einige andere EU-Staaten bereits ihren Widerstand gegen die Pläne der EU-Kommission angekündigt. «Wir müssen und werden uns Aufrufen für eine Zwangsverlegung oder -ansiedlung von Migranten quer durch Europa widersetzen», sagte die britische Innenministerin Theresa May am Mittwoch. Dieser Ansatz erhöhe für Flüchtlinge den Anreiz, sich auf den Weg nach Europa zu machen und dabei ihr Leben aufs Spiel zu setzen.
AFP/sda/thu/hvw
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