Corona-GrenzregimeRechtsexperten kritisieren die Bussen-Praxis der Grenzwächter
Bussen für Familienbesuche im Ausland? Juristisch ist das verschärfte Grenzregime umstritten. Jetzt wird die Politik aktiv.

Nachdem der Bundesrat die Einreise in die Schweiz eingeschränkt hatte, nahmen Konflikte an der Grenze zu. Gab es dabei unzulässige Strafen? Diese Frage klärt nun das zuständige Gremium des Parlaments ab.
Die Zollverwaltung sieht sich mit happigen Vorwürfen konfrontiert. Sie handle illegal, wenn sie Menschen beim Grenzübertritt büsse, nur weil diese ihre betagten Eltern mit Lebensmitteln versorgten oder die eigenen Kinder besuchten, die auf der anderen Seite der Grenze leben, sagen Rechtsexperten. (Lesen Sie dazu: «Schweizer Zoll verhängte pro Tag 150 Corona-Bussen»)
Medienberichte über einen Genfer, der anprangert, seine betagten Eltern in Frankreich gepflegt zu haben und bei der Rückkehr in die Schweiz am Zoll gebüsst worden zu sein, rufen nun die Politik auf den Plan. Dies berichtet das Schweizer Radio SRF. Für Aufsehen sorgte auch der Fall eines Vaters aus Bad Zurzach (AG), der regelmässig seine elfjährige Tochter bei seiner Ex-Frau im deutschen Lauchringen besucht. Trotz gültiger Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz kassierte er bei der Rückkehr per Velo in die Schweiz eine Busse von 100 Franken. Nun sagt der zuständige Subkommissionspräsident der Geschäftsprüfungskommission, Ständerat Matthias Michel (FDP), man werde sich des Themas annehmen.
Er sei durch Medienberichte darauf aufmerksam geworden, sagt er gegenüber SRF, aber nicht nur: «Ich habe auch Zuschriften bekommen von Fällen, wo ich mir gesagt habe, das ist wahrscheinlich rechtlich schwierig. Da sind zum einen wohl die Gerichte zuständig. Aber wir als Geschäftsprüfungskommission, wir überwachen die rechtliche Zulässigkeit, also die Rechtmässigkeit der Handlungen der Verwaltung.»
Weder die Covid-19-Verordnung des Bundesrats noch das Zollgesetz stellten solche Besuche im Ausland unter Strafe, sagt dazu auch Markus Schefer, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Basel, am Radio. Menschen mit Schweizer Pass oder Aufenthaltsbewilligung dürfen gemäss der Verordnung einreisen. Verboten sind bloss Ausflüge über die Grenze, die alleine dem Einkaufstourismus dienen.
Zollverwaltung liess Verbotsplakate montieren
Die angewandte Rechtspraxis bei der Zollverwaltung stützt sich allerdings nicht in erster Linie auf das geltende Notrecht und damit auf die entsprechende Verordnung des Bundesrats. Grenzwächter und Zöllner können – gestützt auf das normale Zollrecht – jemanden büssen, der «Anordnungen der Eidgenössischen Zollverwaltung für das Sicherstellen des Betriebes» missachtet. Wie dick oder wie dünn das Eis tatsächlich ist, auf dem sich die Eidgenössische Zollverwaltung mit ihrer Bussenpraxis bewegt, wird sich also weisen.
Im Zeichen von Corona liess die Zollverwaltung zur Präzisierung extra Plakate aufhängen, die den «Grenzübertritt oder Versuch zum Zwecke des Einkaufs, der Freizeit, des Tourismus oder des Besuchs» als verboten bezeichneten. Die Zollverwaltung stellt sich auf den Standpunkt, ihre Anordnungen seien nötig, um ihren Kontrollauftrag erfüllen und einen reibungslosen Verkehrsfluss für wichtige Personenkategorien wie Grenzgänger, die im Gesundheitswesen arbeiten, sicherstellen zu können.
SP-Nationalrat und Anwalt Christian Dandrès sieht das anders. «Es ist für mich nicht nachvollziehbar, wie man dazu kommen kann, solche Grenzübertritte mit Bussen zu ahnden.» Er kritisiert, die Eidgenössische Zollverwaltung habe sich offenbar ein paar Freiheiten erlaubt, und die Folge sei nun eine illegale Praxis.
Fehler gefunden?Jetzt melden.