Viel Schall um Rauch
Das Obergericht reduzierte die Strafe gegen einen Mann, der eine Hanf-Indooranlage betrieben hatte. Der Angeschuldigte blieb dem Gericht fern. Er anerkennt den Rechtsstaat nicht.

Sechs Polizisten standen im Eingangsbereich und kontrollierten die Eintretenden. Die Sicherheitsvorkehrungen am Berner Obergericht waren hoch. Dabei ging es in der am Donnerstagvormittag angesetzten Verhandlung «nur» um ein Betäubungsmitteldelikt. Ein Mann hatte in Oberbalm eine Hanf-Indooranlage betrieben. Aber die Behörden waren gewarnt. Die erstinstanzliche Verhandlung vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland – auf den Tag genau vor einem Jahr – konnte nur «unter erschwerten Bedingungen» durchgeführt werden, wie es in der Urteilsbegründung heisst.
Der Angeklagte erschien damals nicht allein. Er wurde von über einem Dutzend Personen begleitet. Es waren Sympathisanten der Reichsbürger-Bewegung. Diese anerkennen den Rechtsstaat nicht. Gerichte dürften nur über Personen richten, nicht aber über Menschen. Einer dieser Prozessbeobachter war der Bieler Bruno Moser, wiederholt Kandidat für Stände- und Regierungsrat.
In seinem Tagebuch schrieb Moser von der «Staatsmafia gegen den Menschen David». Moser fühlte sich im falschen Film. Schliesslich habe der «Schein-Richter» die «Polizeischergen» gerufen. Als die Polizisten in Kampfmontur erschienen, räumten die Zuschauer den Saal, auch der Angeklagte, ohne dass er befragt werden konnte. Das Urteil: 13 Monate bedingt, eine bedingte Geldstrafe von 1500 Franken und eine Busse (200 Franken).
Die Polizisten blieben am Donnerstag ohne Einsatz. Mensch David erschien nicht. Selbst sein Verteidiger hatte keine Informationen zu seinem Verbleib. Seit Monaten habe er keinen Kontakt mehr zu seinem Mandanten. Er soll aber nach Portugal ausgereist sein. Weil aber die Vorladung rechtsgültig ausgestellt worden war, entschied das Gericht im Einverständnis mit dem Verteidiger und der Generalstaatsanwältin, die Verhandlung trotz der Abwesenheit durchzuführen. Zumal keine Befragung vorgesehen war.
Der Mann war Ende Oktober 2014 aufgeflogen. Er blieb in einer Verkehrskontrolle hängen. Er fuhr unter Drogeneinfluss und hatte verdächtige Utensilien im Fahrzeug. Bei der anschliessenden Hausdurchsuchung im Süden Berns stellte die Polizei zwei Hanf-Indooranlagen fest mit über 320 Hanfpflanzen respektive gut 500 Hanfpflanzen.
«Die Indooranlage diente der Forschung.»
Der Verteidiger wiederholte die Version des Angeklagten, eines Agronomen. Dieser habe den Hanf primär zu Forschungszwecken angebaut. Es sei darum gegangen, welchen Einfluss erd- und elektromagnetische Felder auf das Wachstum hätten. Den hohen Stromverbrauch in den Jahren zuvor begründete er mit der Herstellung der Asche «Agnihorta», eines hocheffizienten Düngers. Dafür habe er drei Hochleistungsöfen betrieben.
Die Staatsanwältin beantragte, das Urteil des Regionalgerichts zu bestätigen. Sie nimmt ihm die Geschichte mit der Forschung und der Asche nicht ab. Der Hanf sei seit 2011 angebaut worden, um aus dem Verkauf den Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten. Es gebe dafür zwar keine direkten Beweise, aber die Indizien würden ein vollständiges Bild ergeben.
Das Obergericht reduzierte die Strafe und verurteilte den Mann wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer bedingten Geldstrafe von 270 Tagessätzen à 30 Franken, einer Verbindungsbusse von 900 Franken und einer Busse von 200 Franken. Für das Obergericht war die Beweisgrundlage zu wenig solid, um ihn für die Zeit von 2011 bis 2014 zu verurteilen. Bei der Indooranlage gab es aber keine Zweifel, dass diese zur Gewinnung von Betäubungsmitteln gedient hatte.
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