«Endlich geht es wieder obsi»
13 Jahre nach der Eröffnung kämpft die Komplementärmedizinische Abteilung des Spitals Langnau noch immer um Anerkennung. Aber was berichten eigentlich die Patienten? Ein Besuch bei Esther Bähler vor dem Tag der offenen Tür.
Der Bescheid des Arztes war wenig erbaulich: 1993 vernahm Esther Bähler, dass sie an einer chronischen Dickdarmentzündung leide. «Es hiess, ich müsse drei, vier Mal pro Jahr mit neuen Schüben rechnen.» Diese liessen sich zwar mit Kortison und Antibiotikum behandeln, dennoch bestehe die Wahrscheinlichkeit, dass die Erkrankung irgendwann zu einem künstlichen Darmausgang und zu Krebs führe. «Aber mich im Spital mit Medikamenten vollpumpen lassen, nein, das wollte ich nicht.» Sie, die bereits verschiedene Naturheilpraktikkurse besucht hatte, blieb daheim, setzte auf die Homöopathie – und erlebt seither ein ständiges Auf und Ab. Mal vergingen mehr Jahre bis zum nächsten Schub, mal weniger. Lange Zeit getraute sie sich fast nur Kartoffelstock und Suppe zu essen, «und das Ganze spülte ich sofort mit Tee runter». Das Lob Kürzlich setzte der nächste Schub ein. Das bedeutet: pro Tag 15 Mal aufs WC, 15 Kilo Gewichtsverlust, Erbrechen, Krämpfe. Da erinnerte sich die Lehrerin an die Komplementärmedizinische Abteilung des Regionalspitals Emmental in Langnau. Vor vier Wochen liess sie sich hierhin einweisen, ohne genau zu wissen, was sie erwartet. «Früher», sagt Esther Bähler, «schwebten die Anthroposophen doch einen halben Meter ab Boden.» In Langnau habe sie aber ein ganz anderes Bild angetroffen: «Die Ärzte und das Pflegepersonal stehen auf dem Boden, arbeiten sehr sorgfältig und einfühlsam. Hier fühle ich mich ernst genommen.» Und vor allem: Hier mag sie wieder essen. Aus der ganzen Speisekarte könne sie ihr Menü zusammenstellen und sogar mit dem Küchenchef besprechen. Teigwaren, Fleisch oder Fisch verträgt sie gut, Salat und Früchte mit Kernen nicht. Sie schmunzelt: «Letzte Woche ass ich acht Mal Maccaroni carbonara.» Die Bedenken Langnau war 1997 das erste öffentliche Akutspital der Schweiz, das eine Komplementärmedizinische Abteilung eröffnete. Mittlerweile gibt es in Scoul eine zweite, allerdings kleinere. Auch in Langnau wachsen die Bäume nicht in den Himmel: Die Belegung der 10 bis 12 Betten sei eine Zeitlang schlecht gewesen, sagt Oberärztin Danielle Lemann. «Viele Hausärzte haben nach wie vor Bedenken, schicken die Patienten nicht so gerne zu uns.» Deshalb organisiert das Pflegepersonal heute einen Tag der offenen Tür, will zeigen, was Komplementärmedizin ist. Auf der Abteilung in Langnau stehen Patientinnen wie Esther Bähler natürliche Heilmittel sowie verschiedenste Angebote zur Verfügung. Wickel und Bäder, rhythmische Massage, aber auch künstlerische Behandlungen wie Heileurythmie und Maltherapie. «Sehr interessant fand ich die Biografiearbeit», erzählt die 49-Jährige. In diesen Gesprächen lernte sie viel über den anthroposophischen Ansatz, wonach das Leben im Sieben-Jahres-Rhythmus verläuft, erfuhr, welchen Zusammenhang ihre chronische Krankheit mit den Gesetzmässigkeiten des Lebens haben kann. Die Kosten Dennoch erklärt Oberärztin Lemann: «Die Hälfte unserer Arbeit ist Schulmedizin.» Etwa das Labor oder das Röntgen. Komplementärmedizin sei kein Ersatz, sondern eine Ergänzung zur Schulmedizin. Esther Bähler formuliert es so: «Hier geht es um den ganzheitlichen Ansatz, nicht nur um den Dickdarm.» Dadurch, dass die Komplementärmedizin weniger Laboruntersuchungen und Medikamente benötige als die konventionelle, sei sie eher kostengünstiger, sagt Danielle Lemann. Entsprechend werden die Leistungen von der Grundversicherung der Krankenkasse bezahlt. Die Zuversicht Heute kann Esther Bähler nun nach Hause, am Montag beginnt ihre Kur in Ascona. «In den letzten Tagen ist es stetig obsi gegangen», sagt sie. Noch vor zwei Wochen hätte sie keine Kraft für ein einstündiges Gespräch gehabt, hätte vor allem geschlafen. Jetzt aber sei sie guten Mutes, bald wieder ein normales Leben führen zu können. Endlich guten Mutes. Markus ZahnoTag der offenen Tür: heute Samstag, 10 bis 16 Uhr, mit Probebehandlungen, Infoständen und Vorträgen.>
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