Trotz Milliardenspritze schreibt die AHV bald wieder neue Defizite
Die Rentenreform wirkt sich für Junge und Alte, Reiche und Arme, Frauen und Männer unterschiedlich aus. Ein erster Überblick.

Frauen:Die grösste Veränderung ist die Erhöhung des Rentenalters auf 65 Jahre. Allerdings wird den Frauen dieser Schritt versüsst, da gleichzeitig die AHV für Neurentner ab 2019 um 70 Franken monatlich erhöht wird. Im Endeffekt bedeutet dies für die eine Hälfte der Frauen – jene mit unterdurchschnittlichen Renten –, dass sie weiterhin mit 64 in Pension gehen können, ohne weniger AHV zu erhalten.
Frauen, die trotzdem bis 65 weiterarbeiten, bessern damit ihre Renten auf. Dass sie heute tiefere Renten haben als Männer, liegt auch daran, dass sie weniger lange einzahlen. Allein mit Rentenalter 65 erhöhen Frauen ihre Pensionskassenrenten um 4 bis 5 Prozent.
Diese Renten werden künftig sowieso noch stärker ansteigen, weil das obligatorische Alterssparen in der 2. Säule gerade für tiefere Einkommen verstärkt wird. In den tieferen Lohnklassen sind Frauen immer noch überrepräsentiert, auch weil sie mehr Teilzeit arbeiten. Als Kehrseite der Verbesserungen müssen Frauen höhere Lohnabzüge in Kauf nehmen.
Ihre Privilegien bei den Witwenrenten der AHV werden nicht angetastet.
Ehepaare: Paare, die noch nicht pensioniert sind, zählen zu den Gewinnern der Reform, da die künftigen AHV-Ehepaarrenten spürbar erhöht werden. Die maximale Paarrente steigt um 226 auf 3750 Franken im Monat. Ehepaare erhalten aber weiterhin nicht zwei volle Einzelrenten, sondern nur 155 statt wie bisher 150 Prozent.
Viele Paare werden also wohl weiterhin über eine «Heiratsstrafe» klagen. Dabei geht aber oft vergessen, dass Ehepaare bei der AHV auch wertvolle Vorteile geniessen, vor allem in Form der Witwenrenten beim Tod des Ehemannes sowie des Rentenzuschlags für pensionierte Witwer und Witwen.
Unter dem Strich findet bei der AHV eine Umverteilung von Ledigen zu Ehepaaren statt. Dieser «Heiratsbonus» dürfte mit den höheren Ehepaarrenten weiter zunehmen.
Heutige Rentner: Sie werden von der Reform nur die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu spüren bekommen, die alle Konsumenten im Land trifft. Ansonsten ist das Ganze für die heutigen Rentner ein Nullsummenspiel: Für sie gibt es keine Verbesserung, weil der 70-Franken-Zuschlag bei der AHV nur für Neurentner gilt.
Sie müssen aber auch keine Verschlechterungen hinnehmen. Vor allem können sie sich weiterhin darauf verlassen, dass die AHV alle zwei Jahre gemäss dem «Mischindex» (Mittelwert aus Teuerung und Lohnentwicklung) erhöht wird. Der Bundesrat wollte die Renten vorübergehend einfrieren, wenn die AHV in Schieflage gerät; dies war im Parlament aber chancenlos.
Generation Ü-45: Die grossen Babyboomerjahrgänge, die in den nächsten zwanzig Jahren in Pension gehen, zählen zu den Gewinnern der Reform. Sie profitieren erstens von der AHV-Erhöhung um 70 Franken im Monat, ohne dass sie viel dafür einzahlen müssen, da sie nicht mehr lange erwerbstätig sind.
Zweitens gilt für sie eine Besitzstandsgarantie bei den Pensionskassenrenten. Das ist relevant für Personen mit tiefen bis mittleren Löhnen, die in der 2. Säule nur obligatorisch versichert sind. Sie erhalten Beiträge aus dem solidarisch von allen Arbeitnehmern finanzierten Sicherheitsfonds, damit ihre Rente nicht unter die heute geltenden Leistungsversprechen sinkt.
Gleichzeitig müssen sie wie alle Erwerbstätigen eine Erhöhung der Lohnabzüge hinnehmen, durch die ihr verfügbares Einkommen sinkt. Dieser Effekt ist je nach Lohnklasse unterschiedlich gross (siehe «Spitzenverdiener» und «Tieflohnbezüger»).
Generation Ü-25 bis U-45 Diese Jahrgänge sind quasi im Sandwich. Sie sind zu jung, um von der Besitzstandsgarantie der Älteren Gebrauch machen zu können (siehe oben). Sie müssen zudem mit steigenden Lohnabzügen rechnen. Diese erreichen aber nicht das gleiche hohe Ausmass wie für die Kinder und Jugendlichen (siehe unten).
Kinder und Jugendliche: Im Unterschied zu den Generationen, die heute bereits im Arbeitsleben stehen, werden die Jungen von heute die vollen Kosten der Reform zu spüren bekommen.
Vor allem müssen sie während der gesamten Laufbahn höhere Lohnabzüge in Kauf nehmen. Während sie in der 2. Säule für sich selber einzahlen, gehen ihre höheren AHV-Beiträge direkt an die Rentner.
Wer heute jung ist, muss sich so oder so auf weitere schmerzhafte Rentenreformen einstellen, wird doch die AHV gut zehn Jahre nach Umsetzung der Reform wieder ins Minus kippen. Hauptgrund: Es sind immer weniger Erwerbstätige pro Rentner, die in die AHV einzahlen.
Wirtschaft: Durch die Erhöhung der Lohnbeiträge werden die ohnehin schon hohen Lohnkosten weiter steigen, was für die Schweiz als Wirtschaftsstandort schädlich ist. Die Erhöhung der AHV-Beiträge von 8,4 auf 8,7 Prozent trifft alle Branchen gleichermassen.
Zusätzliche Mehrkosten für die Pensionskassen müssen primär Branchen mit tiefen bis mittleren Löhnen vom Gewerbe über die Gastronomie bis zur Landwirtschaft in Kauf nehmen. Besser gepolsterte Branchen hingegen müssen für die 2. Säule kaum mehr ausgeben, da ihre Pensionskassen das gesetzliche Minimum übertreffen.
Die Anhebung der Mehrwertsteuer dürfte auch Spuren hinterlassen, auf dem Arbeitsmarkt etwa. Einen Anhaltspunkt gibt eine Studie im Auftrag des Bundes von 2004: Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,7 Prozent hätte damals einen Verlust von 10'800 Vollzeitstellen provoziert.
Allerdings hat die Reform für die Wirtschaft auch positive Folgen: Sie profitiert, wenn die Kaufkraft der Rentner steigt und die Vorsorge gesichert wird.
Spitzenverdiener: In Franken und Rappen müssen sie die grössten Opfer bringen. Ein Einkommensmillionär zum Beispiel zahlt gemeinsam mit seinem Arbeitgeber künftig monatlich 250 Franken mehr in die AHV ein, erhält im Alter aber wie alle anderen auch nur den 70-Franken-Zuschlag.
Tieflohnbezüger: Sie können sich einerseits auf die kräftigsten Rentenverbesserungen freuen. Diese liegen im Bereich von 2000 bis 3000 Franken im Jahr (AHV und Pensionskassen zusammen).
Andererseits müssen sie dafür happige Erhöhungen der Lohnabzüge hinnehmen, womit ihr verfügbares Einkommen sinkt. Dabei profitieren Personen mit tieferen Löhnen besonders stark von der Umverteilung in der AHV.
Aber nicht alle Haushalte mit kleinem Budget werden von der Rentenerhöhung im Portemonnaie etwas spüren. Das gilt für einen Teil der Personen, die so knapp drin sind, dass sie Ergänzungsleistungen (EL) erhalten.
Sie bekommen zwar höhere Renten, im Gegenzug sinken aber die EL. Für drei Viertel der EL-Bezüger führt die AHV-Erhöhung um 70 Franken zu einem Nullsummenspiel.
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