«Gipfeli Gate» in WabernSo profitieren lokale Geschäfte vom Gurten
Das Gewerbe in Wabern verdient am Gurtenfestival mit. Vor der Pandemie sorgte eine Bäckerei landesweit für Aufsehen. Und dieses Jahr?

Der Aufschrei bei hungrigen Gurtengängern und der Bäckerbranche war im Sommer 2019 laut, sehr laut: Barbara und Jakob Aegerter, die damals die gleichnamige Bäckerei am Fusse des Berner Hausbergs führten, durften auf Geheiss des bernischen Amts für Wirtschaft in der Nacht keine Gipfeli mehr verkaufen. Die Bewilligung, ausserhalb der Ladenöffnungszeiten zu geschäften, besassen sie seit Jahren. Sie wurde ihnen damals überraschenderweise entzogen.
Nach Druck der Öffentlichkeit und des Branchenverbands der Bäcker kam die Bewilligung rasch zurück und in der nächsten Nacht wurden wieder rege Gipfeli verkauft. Marketingmässig hätte man keine bessere Aktion planen können, das «Gipfeli Gate» und die Bäckerei waren in aller Munde. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Seither ist viel passiert: Das Gurtenfestival hat zwei Jahre wegen Corona pausiert, die Aegerters haben ihre Bäckerei verkauft. Die neuen Inhaberfamilien Patterson und Boitelle führten bis Juni auch die Bäckerei La Praliné im Breitenrainquartier, in Wabern befindet sich die Backstube.
Sie haben aus der Gurten-Bäckerei nun buttrig-freudige News: Ab 2 Uhr morgens wird es frische Gipfeli für die hungrigen Festivalbesuchenden geben. Das Amt für Wirtschaft habe ihnen die Bewilligung erteilt. Mitinhaberin Lori Patterson lässt sich in einem Artikel des Bäckereiverbands zitieren: «Die Chefs werden im Laden stehen, so muss keine zusätzliche Arbeitszeitbewilligung eingeholt werden.» Die Angelegenheit präzisieren möchte Lori Patterson nicht, sie sagt nur so viel: «Da wir die Sonderöffnungszeiten bewilligt bekommen haben, möchten wir uns nicht weiter äussern. Wir sind einfach nur erleichtert und motiviert.»
Essenzielle Einnahmen
Für die Inhaberfamilien Patterson und Boitelle ist es am Standort Wabern das erste Gurtenfestival. So wissen sie noch nicht, wie gross der Ansturm in der Gurten-Bäckerei sein wird. «Diese zusätzlichen Verkäufe über die Festivaltage sind für uns wirtschaftlich sehr bedeutend, wenn nicht gar essenziell», wird Lori Patterson weiter zitiert.

Die Gurten-Bäckerei ist nicht das einzige Geschäft, das von den Abertausenden von Festivalbesuchenden profitiert: Die Heitere Fahne bereitet seit zwei Wochen ihr eigenes Kultur-Festival «Gugus Gurten» vor. Dieses fand auch statt, als das Gurtenfestival wegen seiner Grösse in der Corona-Krise pausieren musste. «Der Gurten ist für uns ein Booster und eine Plattform, um mit unserem Kulturhaus viele Tausend Menschen zu inspirieren», sagt Alexandra Suter. Hannes Hergarten ergänzt: «Wir sind das schönste Stiefkind des Gurtenfestivals.»

Pizza, Wurst, Pommes frites und Habibi-Falafel verkaufen sie den Hungrigen, mixen schnelle Longdrinks und zapfen Bier in Mehrwegbecher. Dafür sind pro Tag 50 Personen im Einsatz, mehrheitlich ehrenamtlich.
Der Velohändler verkauft Dosenbier
Hingegen scheinen nicht alle Ideen zu funktionieren: Weiter unten an der Hauptstrasse geschäftet Yanqiu Feng seit sieben Jahren mit ihrem südchinesischen Restaurant Thai Yien. Die 50-Jährige und ihre Mitarbeiterin bereiten gerade Frühlingsrollen zu und frieren sie ein. Diese sind nicht für die Gurtenfestival-Gänger, sondern für ihre reguläre Kundschaft.

Feng nimmt die Glasnudel-Gemüse-Füllung und legt sie auf das Reispapier. Ohne die Arbeit zu unterbrechen, spricht sie auf Deutsch und Chinesisch, ihre Mitarbeiterin übersetzt. «Wir haben bis vor der Corona-Pandemie während des Festivals einen Stand draussen auf dem Trottoir aufgebaut. Der hat nicht rentiert», sagt sie. Nun konzentrieren sie sich auf ihr Lokal, in dem aber während dieser Tage mehr Gäste als üblich verkehren.
Dass alle ein Stück vom Kuchen wollen, zeigten in vergangenen Jahren Privatpersonen mit Cocktail-Bauchläden. Oder der Dosenbierstand des Velohändlers. Und natürlich die fast schon berühmten «Sirup-Buben», die den Durstigen Getränke bereitstellten.

«Der Beck soll Gipfeli verkaufen, wir machen Drinks und Musik. Jeder soll das beitragen, was er am besten kann», sagt Hannes Hergarten von der Heitere Fahne. Dass die Geschäfte in Wabern Profiteure des Gurtenfestivals seien, sei eine Sichtweise. Hergartens Meinung dazu ist: «Wir sind ein Teil des Zaubers des Festivalwochenendes.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.