Armada-Cup: Showdown im Schilfgras
Der 22. BKW-Armada-Cup auf dem Wohlensee endet mit einer Überraschung.
Hinterkappelen ist sehr belebt an diesem Samstag und auffallend multikulti: Allenthalben herrscht ein schier babylonisches Sprachengewirr, ausgehend von fröhlichen Menschen in Sportkleidung mit Aufschriften wie Estonia, Belgium, New Zealand, Italia, Australia und Suisse. Begleitet von einer dezenten Dul-X-Duftwolke, strebt das bunte Völkchen dem See zu. Es ist Armada-Cup.
Armada-Cup heisst: fast 1000 junge und ältere Sportlerinnen und Sportler aus 17 Ländern, 309 Skiffs und 31 Drachenboote, dazu C-Gig-Boote für die Junioren. Und in einem «Dragonboat»-Rennen duellieren sich Politgrössen und Ex-Sportler für einen guten Zweck: Titelsponsor BKW spendet 10000 Franken für sozial benachteiligte Kinder.
Im Zentrum steht das Skiff-Rennen. Anwesend ist so gut wie alles, was Rang und Namen hat. Eine ellenlange Liste von Topathleten gälte es feierlich zu proklamieren, aber rundum fallen immer die zwei gleichen Namen: Mahé Drysdale und Olaf Tufte. Der Neuseeländer Drysdale (30-jährig, 201 cm gross, 99 kg schwer) gewann die letzten drei Weltmeisterschaften und die beiden letzten Armada-Cups. Aber in Peking hat ihm der Norweger Tufte (32-jährig, 193 cm, 95 kg) das Gold weggeschnappt. Heute ist also Olympiarevanche auf dem Wohlensee.
Mucksmäuschenstill ist es und die Spannung fast mit Händen zu greifen, als beim Mühleberg-Stauwehr die 309 Sculler auf die Startrakete warten. Eine Minute vor dem Knall bricht die Sonne durch die Wolkendecke und verwandelt die von Laubbäumen umsäumte Bucht in ein wunderschönes, fast schon magisches Herbstbild. Drysdale muss mächtig beeindruckt sein, denn er vergisst schlicht loszurudern, während sein grosser Konkurrent Tufte abgeht wie die bereits erwähnte Rakete.
Bald schon zieht sich das Feld in die Länge. Beim Napoleonshut, wo der See quasi eine Rechtskurve macht, wird es eng; es herrscht Kollisionsgefahr wie beim «Engadiner» im Stazerwald. Olaf Tufte sieht nichts vom Getümmel, weil auch Olympiasieger hinten keine Augen haben. In einer bestechenden Form pfeilt der Norweger vorneweg, und allmählich vermag einzig noch der überraschende Karsten Brodowski aus Deutschland dranzubleiben.
Dann das Drama: Tufte wählt eine (noch am Vormittag eigens rekognoszierte) Kamikaze-Linie und hängt prompt im Schilf an. Bis er sein Boot wieder flottgemacht hat, sind sieben Konkurrenten vorbeigezogen, darunter Drysdale, der grosse Widersacher. Der Norweger jagt hinterher, gerät nach zehn Schlägen ins Seegras und landet erneut im Schilf. Enttäuscht und verärgert will er zunächst aufgeben, aber als ihm ein übermütiger Junior auf den Pelz rückt, wird Tufte vom eigenen Stolz gepackt und verduftet in einem Tempo, dass dem jungen Konkurrenten ganz schwindlig wird.
Bloss, in diesem Weltklassefeld ist die Post natürlich abgefahren. Vorne jagt Allar Raja aus Estland den führenden Karsten Brodowski, der sich verzweifelt wehrt, aber allmählich an seine Grenzen kommt. Noch 1500 Meter (von total 9000) sind zurückzulegen, als Raja den Konkurrenten herausfordert, indem er scharf an seine Seite vorstösst, sodass kaum Raum für beide Ruder bleibt. Einem Ehrenkodex der Ruderer folgend (der Schwächere soll den Stärkeren nicht behindern oder gar eine Kollision provozieren) setzt der Deutsche einen Schlag aus – und weg ist Raja.
Der 25-jährige Este rudert den Sieg sicher nach Hause, Brodowski wird verdienter Zweiter, und als Dritter quert Mahé Drysdale die Ziellinie, der nach seinem verpatzten Start mächtig aufgedreht hat. Dass Olaf Tufte nach seinen Schilfgrasexkursionen noch auf den 5.Rang fährt, ist fast schon sensationell und die Experten sind sich einig, dass unter «normalen» Umständen der Norweger das Rennen gewonnen hätte. Tufte sagt später im Trockenen bloss trocken: «It was not my race», und er wolle im nächsten Jahr wiederkommen an den schönen Wohlensee.
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