Swatch und Zurich streiten um Millionen
Nach einem Brand stand die Swatch-Fabrik in Grenchen still. Der Uhrenkonzern macht bei seiner Versicherung einen Schaden von 110 Millionen Franken geltend. Doch die Zurich will nicht zahlen.

Grenchen an einem Sonntagmorgen Ende des Jahres 2013: In einer der Fabriken der Swatch-Gruppe bricht ein Feuer aus. Die Betriebsfeuerwehr, die Feuerwehr Grenchen und die Chemiewehr Solothurn, insgesamt fast 80 Personen, löschen den Brand rasch. Verletzte gibt es keine. Swatch-Konzernchef Nick Hayek ist kurz darauf vor Ort und gibt Auskunft. «Der Brand hat das Herzstück der Produktion getroffen», spricht er in die Mikrofone der lokalen Medien.
Dass der Brand das Unternehmen auch noch im Jahr 2019 beschäftigen wird, dachte Hayek damals kaum. Der Sachschaden belief sich schliesslich auf 13 Millionen Franken, die Brandursache war eine technische. Deutlich höher ist der Schaden fürs Geschäft, denn das betroffene Geschoss der Fabrik brannte fast vollständig aus.
Die Swatch-Gruppe beziffert die Kosten für den Betriebsausfall auf 110 Millionen Franken. Ihre Versicherung, die Zurich, traut dieser Zahl allerdings nicht. Der Streit zwischen den beiden Grossunternehmen eskalierte bis auf Stufe der Konzernleitungen – schliesslich klagte die Swatch-Gruppe vor dem kantonalen Handelsgericht in Bern gegen die Zurich.
Zu wem gehört der Experte?
Gestern trafen sich dort die beiden Parteien erstmals. Dass es um viel geht, zeigt das Grossaufgebot an Juristen auf beiden Seiten. Auch Thierry Kenel, Finanzchef des Bieler Uhrenkonzerns, nahm im Saal Platz.
Im Kern dreht sich der Streit um die Berechnung des Schadens, den der Betriebsunterbruch verursacht hat – und um die Frage, wer den Schaden berechnen soll. Die Swatch-Gruppe beauftragte nach dem Brand einen Freiburger Schadenexperten, mit dem sie bereits seit einem Vierteljahrhundert zusammenarbeitet. Die Swatch-Gruppe nahm an, der Experte sei wie in früheren Schadenfällen als «gemeinsamer Experte» zu betrachten. Die Zurich sah dies aber anders.
Der Brand in Grenchen war in einem Gebäude der Swatch-Tochter ETA ausgebrochen. Das Industrieunternehmen stellt Komponenten und ganze Uhren für die 17 Marken der Swatch-Gruppe sowie für externe Kunden her. Das Feuer zerstörte die Galvanik-Abteilung der ETA. Dort werden Metallkomponenten für Uhrwerke beschichtet, um sie rostfrei zu machen.
Es fehlen 200'000 Uhrwerke
Der Freiburger Schadenexperte kam in seiner 18 Monate dauernden Expertise zum Schluss, dass wegen des Brandes bei der ETA insgesamt 217'000 Uhrwerke nicht hätten produziert werden können. Bei 110 Millionen Franken Gesamtschaden geht die Swatch-Gruppe also von einem durchschnittlichen Verlust von gut 500 Franken pro nicht produziertes Uhrwerk aus. Vor Gericht wurde erwähnt, dass es sich unter anderem um Uhrwerke für die Marke Omega handelte, weitere Markennamen wurden nicht genannt.
Die Zurich ist jedoch gar nicht bereit, die Berechnungen des Mannes zu akzeptieren. Sie hat ihrerseits ein internationales Unternehmen für forensische Buchprüfung engagiert, um den Schaden berechnen zu lassen. Der Uhrenkonzern nahm gemäss seinem Anwalt Pascal Grolimund an, dass die Zurich den Freiburger Schadenexperten trotzdem akzeptiert und die Buchprüfungsfirma nur zur Unterstützung beigezogen habe.
Offensichtlich haben die beiden Konzerne wissentlich oder unwissentlich während Monaten aneinander vorbeigeredet. Um den Konflikt zu lösen, müssen die Beteiligten nun tief in die Materie des Versicherungsrechts eintauchen. Es beginnt bereits mit dem Problem, dass die Swatch-Gruppe über eine globale sowie über eine Schweizer Versicherungspolice der Zurich verfügt – und die beiden nicht den gleichen Wortlaut haben. Nach Auslegung der Zurich müsste die Swatch-Gruppe einem Sachverständigenverfahren zustimmen. Ein solches ist langwieriger und teurer als die Schätzung des von Swatch beigezogenen Schadenexperten.
Markus Dörig, der Anwalt der Zurich, wirft diesem Schadenexperten zudem «fehlerhafte Berechnungen» mit «einer Vielzahl konzeptioneller Mängel» vor. Er beklagte zudem, dass der Schadenexperte und die Swatch-Gruppe der Zurich nicht alle benötigten Dokumente zugänglich gemacht haben. Swatch-Anwalt Grolimund beklagte wiederum, die Zurich habe im Rechtsstreit «allerlei Schabernack» getrieben, um nicht über die Höhe der Schadensumme selbst sprechen zu müssen.
40 Millionen sind geflossen
Bereits kurz nach dem Brand hat die Zurich dem Uhrenkonzern in Tranchen 40 Millionen Franken überwiesen, sodass die Bieler nun nur noch die restlichen 70 Millionen einfordern. Die Swatch-Gruppe versteht die Anzahlung der Zurich als Anerkennung der Schadenberechnung. Die Zurich deutet die Anzahlung hingegen schlicht als Zeichen, dass sie sich einer Entschädigung nicht grundsätzlich verschliesst, wie ihr Anwalt Dörig sagte.
Nach dem Prozessauftakt verbrachten die beiden Parteien den gestrigen Tag mit Vergleichsverhandlungen hinter verschlossenen Türen. Gerichtspräsident Marcel Schlup versuchte die beiden Unternehmen zu einem aussergerichtlichen Kompromiss zu bewegen – bis am Abend ohne Erfolg. Voraussichtlich werden nun die drei Handelsrichter über die Millionenforderung entscheiden müssen.
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