Tatverdächtiger von Köthen sollte abgeschoben werden
Nach dem Tod eines 22-jährigen Deutschen haben die Ermittler neue Erkenntnisse veröffentlicht. Eine AfD-«Gedenkveranstaltung» verlief weitgehend friedlich.
Während nach dem Tod eines 22-Jährigen in Köthen der genaue Tathergang noch unklar ist, gibt es neue Details zu den Tatverdächtigen. Einer der festgenommenen Afghanen sollte aus Deutschland abgeschoben werden, was aber zunächst wegen laufender Ermittlungsverfahren ausgesetzt wurde. Dies sagte Sachsen-Anhalts Justizministerin Anne-Marie Keding (CDU) am Montag in Magdeburg.
Dem Obduktionsergebnis zufolge starb der 22-Jährige in der Nacht zum Sonntag an akutem Herzversagen, «das nicht im direkten kausalen Zusammenhang mit den erlittenen Verletzungen steht». Er litt demnach an einer schweren Herzerkrankung. Es gebe keine Hinweise, dass es zu tödlichen Verletzungen durch Schläge und Tritte gegen den Schädel gekommen sei, sagte Keding dazu an der Pressekonferenz.
Abschiebung genehmigt
Vor dem Tod des Manns soll es in der sachsen-anhaltischen Stadt zu einer Auseinandersetzung zwischen mindestens zwei Afghanen und mindestens zwei Deutschen gekommen sein, in deren Verlauf der 22-Jährige dann starb. Zum Tatgeschehen gaben die Ermittler zunächst weiterhin keine Einzelheiten bekannt. «Wir stehen noch mittendrin in den Ermittlungen», sagte der leitende Oberstaatsanwalt Horst Nopens.
Gegen zwei tatverdächtige Afghanen im Alter von 18 und 20 Jahren erging am Sonntagabend Haftbefehl wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge. Beide kamen demnach als unbegleitete Minderjährige nach Deutschland. Einer der beiden hat den Angaben zufolge eine Aufenthaltserlaubnis.
Beim anderen Afghanen hatte die zuständige Behörde im April bei der Staatsanwaltschaft die Zustimmung zur Abschiebung beantragt. Dies sei aber aufgrund laufender Ermittlungsverfahren unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung zunächst abgelehnt worden.
Erst zwei Tage vor dem Todesfall wurde demnach ein neuer Antrag genehmigt. Zu diesem Zeitpunkt waren die Vorwürfe gegen den Afghanen so weit geklärt, dass seine Anwesenheit in Deutschland nicht mehr erforderlich war. Weitere Ermittlungsverfahren hatten sich Keding zufolge zudem erledigt.
«Rassenkrieg gegen das deutsche Volk»
Nach dem Todesfall hatten rechte Gruppen über Onlinenetzwerke zu einem sogenannten Trauermarsch aufgerufen, an der sich laut Polizei am Sonntagabend rund 2500 Menschen beteiligten. Darunter waren nach Angaben von Landesinnenminister Holger Stahlknecht (CDU) auch «400 bis 500 Personen der rechten Szene» aus Sachsen-Anhalt und anderen Bundesländern. An den Gegenprotesten beteiligten sich demnach 220 Menschen.
Tatsächlich waren bekannte Rechtsradikale am Umzug mit dabei. Thügida-Chef und Ex-NPDler David Köckert sprach bei einer Rede über Lautsprecher von einem «Rassenkrieg gegen das deutsche Volk», wie in einem Video von «Buzzfeed» festgehalten wird. Die «asoziale antideutsche Schweinepresse» verschweige «das Abschlachten des deutschen Volkes». An die Polizei gerichtet, sagte er: «Jeder der in blau gehaltenen, charakterlosen Söldner, die hier stehen – ihr müsstet eure Helme wegschmeissen, ihr müsstet hier mit dem Volk stehen und Widerstand leisten.»
«Was hier abläuft, was hier geschehen ist, ist das Abschlachten des deutschen Volkes»: Auszüge aus David Köckerts Rede. (9. September 2018) Video: Facebook/Buzzfeed
Am Sonntagabend zog zudem eine Gruppe durch Köthen, die rief: «Nationaler Sozialismus! Jetzt!». Ein Video, das die Rufe dokumentiert, wurde vom Deutschlandkorrespondenten der französischen Zeitung «Le Monde» aufgenommen.
Der Staatsschutz prüft Stahlknecht zufolge, ob die auf der Demonstration geäusserten rechten Parolen und Redebeiträge den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Es seien Strafverfahren eingeleitet worden. Dass es dort «zu offen nationalsozialistischen Sprechchören gekommen ist, das muss uns betroffen machen und muss uns empören», sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.
AfD ruft zu «Gedenkveranstaltung» auf
Der Köthener Oberbürgermeister Bernd Hauschild (SPD) sprach im ZDF-«Morgenmagazin» von «rechten reisenden Touristen» in der Stadt. Es habe bei der Demonstration am Sonntagabend zwar keine Gewalt gegeben, «aber es wurde gehetzt», sagte er.
Stahlknecht äusserte erneut Verständnis dafür, dass Menschen friedlich ihre Betroffenheit über den Todesfall zeigen wollten. Er appellierte zugleich an die Bürger, «dass sie sich nicht gemein machen mit solchem Missbrauch» durch die Rechten.
Für Montagabend rief die AfD in Köthen zu einer «Gedenkveranstaltung» auf. Die Polizei ist wieder verstärkt im Einsatz. In der Köthener Jakobskirche soll es wie bereits am Sonntag bis auf weiteres täglich Friedensgebete geben.
«Weitgehend störungsfrei»
Bis zu 550 Menschen zogen nach Angaben der Polizei vom Marktplatz zu dem Ort, an dem der junge Mann am Sonntag nach einem Streit mit anderen Männern gestorben war. Laut einer Sprecherin der Polizei in Dessau-Rosslau verlief die von hunderten Polizisten überwachte Veranstaltung «weitgehend störungsfrei».
Es habe vereinzelte Personenfeststellungen gegeben, fügte die Sprecherin hinzu. Auch seien mehrere Hinweise auf mögliche Straftaten eingegangen. Diese würden nun ausgewertet. Auch würden die Redebeiträge auf der Veranstaltung geprüft.
Fünf brennende Autos
Die AfD hatte ein «friedliches Trauern» und eine «Gedenkminute» auf dem Marktplatz angekündigt. «Auf politische Reden wird heute verzichtet», hatte die Partei erklärt. Ein Grossaufgebot der Polizei war im Einsatz. Laut der Sprecherin lag die Zahl der Beamten «im oberen dreistelligen Bereich». Polizisten aus Niedersachsen, Berlin, Thüringen, Hessen und Schleswig-Holstein waren demnach zur Unterstützung der sachsen-anhaltinischen Polizei nach Köthen gekommen.
Am frühen Montagabend beteiligten sich der Polizeisprecherin zufolge zudem bis zu 200 Menschen an der wöchentlichen Montagsdemo in Köthen. Die Polizei ermittelt den Angaben zufolge zudem wegen fünf brennender Autos. Die Fahrzeuge waren am Montagnachmittag auf einem Parkplatz in Köthen in Brand geraten. Die Ursache ist laut Polizei noch unklar.
sda/afp/mch
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch