Urteil in SüdkoreaTransgender-Soldatin gewinnt Prozess – und verliert ihr Leben
Byun Hee-soo wurde wegen ihrer Geschlechtsanpassung von der Armee entlassen und klagte. Jetzt gab es ein wegweisendes Gerichtsurteil zu dem Fall. Für die Soldatin kam es zu spät.

Es ist schwierig, von einem Happy End zu reden im Prozess der Soldatin Byun Hee-soo, die zu Lebzeiten darum kämpfte, auch nach ihrer geschlechtsanpassenden Operation in Südkoreas Armee bleiben zu dürfen. Denn die Gewinnerin ist tot. Dennoch ist das Urteil des Landgerichts in Daejeon vom vergangenen Donnerstag ein Fortschritt im Kampf gegen die Diskriminierung von Transgender-Menschen im Tigerstaat.
Es besagt, dass die Entlassung Byun Hee-soos im Januar 2020 nicht rechtens war. Die Armee hätte sie als Frau und nicht als verstümmelten Mann behandeln müssen. Ihre Anhänger freuen sich. Am Freitag erklärte das Verteidigungsministerium in Seoul, es werde eine Studie veranlassen zu der Frage, ob und wie die Regeln für Transgender-Menschen im Militärdienst zu ändern seien. Das verspätete Urteil könnte ein Wendepunkt werden – den Südkorea aus Sicht von Menschenrechtlern allerdings auch nötig hat.
Diskriminierung ist allgegenwärtig
Südkorea besticht dieser Tage wieder mit seiner kreativen Kraft. Die Netflix-Serie «Squid Game» von Regisseur Hwang Dong-hyuk ist ein Welterfolg. Die bildmächtige Mischung aus Gewalt, Spannung, Kapitalismuskritik und Korea-Bezügen lässt kaum jemanden kalt. Wieder mal zeigt sich, dass das kleine reiche Halbinselland auf manchen Gebieten ein Riese ist.
Aber der Erfolg lenkt auch ein bisschen davon ab, dass Südkorea nicht nur ein konkurrenzfähiger Wirtschafts- und Entertainment-Standort ist, sondern auch eine konservative Gesellschaft. Eine Gesellschaft, in der sich das Recht auf Freiheit längst nicht so schnell fortentwickelt wie der Ausbau des ultraschnellen Internets oder die nächste Smartphone-Generation.
Die LGBTQ+-Gemeinde im Land kann davon erzählen. Sie hat in den vergangenen Jahrzehnten keineswegs erfolglos für die Anerkennung sexueller Minderheiten gekämpft, hat ein reges Vereinsleben aufgebaut, Demonstrationen veranstaltet, eigene Clubs und Festivals etabliert. Trotzdem gelten für die Mehrheit in Südkorea weiterhin die klassischen Geschlechter-Muster. Sich zu outen, kann riskant sein. Erst Mitte September kritisierte die Menschrechtsorganisation Human Rights Watch Südkoreas Regierung in einem ausführlichen Report wegen «allgegenwärtiger» Diskriminierung.
Byun Hee-soos Fall ist dafür ein Beispiel. Ihre Geschichte erzählt davon, dass man sich nicht aussuchen kann, wer man ist.
Der Verlust des Geschlechtsteils führe nach Militärrecht zu einer Behinderung.
Einerseits war sie ein überzeugtes Mitglied der südkoreanischen Armee. Stabsfeldwebel mit Panzerführerschein, stationiert in der Provinz Gyeonggi. Andererseits konnte sie das Gefühl nicht aushalten, im falschen Körper zu stecken.
2019 nahm sie in Thailand die geschlechtsanpassende Operation vor. Südkoreas Behörden akzeptierten den Schritt. Byun Hee-soo wurde offiziell eine Frau. Ihre persönlichen Dokumente wurden umgeschrieben. Trotzdem reagierte die Armee im Januar 2020 mit der Entlassung. Grund: Der Verlust des Geschlechtsteils führe nach Militärrecht zu einer Behinderung. Byun Hee-soo sei für die Armee nicht mehr tauglich.
Byun Hee-soo gab damals eine Pressekonferenz, wenige Tage nach der Entlassung. Sie trug Uniform und Barett. Sie stand aufrecht, wie es sich für eine Soldatin gehört. Unter Tränen erzählte sie von ihrer Verwandlung. «Es war eine extrem schwierige Entscheidung, meinen Stützpunkt meine Identität wissen zu lassen. Aber als ich das gemacht hatte, fühlte ich mich viel besser», sagte sie. Und unmissverständlich machte sie klar, dass sie ihren Dienst am Vaterland nicht so einfach aufgeben könne. «Abgesehen von meiner Geschlechter-Identität, möchte ich allen zeigen, dass ich auch zu den grossartigen Soldaten gehören kann, die dieses Land beschützen.»
Die Armee lehnte ihren Einspruch ab. Sie klagte. LGTBQ+-Organisationen unterstützten sie. Aber der seelische Druck muss mächtig gewesen sein. «Die Leute kannten ihr Gesicht, deshalb bekam sie keinen Job. Das war schlimm für sie», hat Lee Jong-geol, Generaldirektor des Seouler Homosexuellen-Clubs Chingusai, dieser Zeitung kurz nach ihrem Tod erzählt. Im März wurde Byun Hee-soo tot in ihrer Wohnung in Cheongju gefunden. Sie wurde 22 Jahre alt.
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