«Tatort»-KolumneVermutlich nur verhaltener Lobgesang
Im «Tatort» aus Zürich geht es um einen toten Schokoladefabrikanten. Die Sendung überzeugt nicht – eher kommt sie zähflüssig und langweilig daher.

Als positiv denkender und toleranter Mensch habe ich mich am Sonntag auf den «Tatort» aus Zürich gefreut. Schliesslich hatte die erste Folge im Oktober letzten Jahres ihre Bewährungsprobe im In- und im Ausland mit Bravour bestanden.
«Schoggiläbe» begann wie viele andere Kriminalfilme auch, nämlich mit einem Mord. Opfer war diesmal ein Schokoladefabrikant. Und wie bei (fast) allen Krimis trampelten auch am Sonntag die Kommissarinnen Isabell Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler) ohne Schutzanzüge spurenvernichtend um die Leiche herum. Früher hätte ich das zum Leidwesen meiner Frau noch lauthals kommentiert.
Nach gut zehn Minuten war meine Duldsamkeit erneut gefragt, als der Handlungsfluss jäh unterbrochen wurde. Ohne dass es einen Zusammenhang mit der Handlung hatte, sprachen mich die Kommissarinnen nacheinander direkt an und quasselten etwas von Superreichen und sozialen Ungerechtigkeiten in Zürich (wie wenn es das nur dort gäbe).
Wenig später nutzte auch die Staatsanwältin die Gunst der guten Sendezeit, um mir zu sagen, dass sie Geburtstag gefeiert hat (hoffentlich mit Maske und Abstand) und ihre erlauchten Gäste 40’000 Franken für Amnesty International gespendet haben (warum nicht für das Schweizerische Rote Kreuz oder die Kinderkrebshilfe Schweiz?).
Immerhin ging es mit der Tätersuche weiter – allerdings genauso spannungsarm und zähflüssig wie zuvor. Dabei wurde ich den Verdacht nicht ganz los, dass alle irgendwie Probleme hatten. So die aufmüpfige Tochter des Ermordeten, die in der Unternehmung auf Bio und Fair Trade umstellen wollte, oder ihre Grossmutter, eine auf extravagant getrimmte Giftnudel, die auf der traditionellen Geschäftsführung beharrte.
Auch die Kommissarinnen hatten ihre Probleme. Die eine konnte nicht schiessen, die andere wurde nicht befördert und wollte nicht mehr in Zürich bleiben.
Und ich? Ich haderte mit meinem Optimismus. Ich vermute nämlich, dass die Zuschauer auf die zweite Folge aus Zürich nur einen verhaltenen Lobgesang anstimmen – wenn überhaupt.

Fehler gefunden?Jetzt melden.