In meiner kindlichen Naivität lässt sich alles drehen und wenden, und von oben betrachtet, scheint vieles gar nicht so schlimm. Neues auszuprobieren und endlich aufhören zu prokrastinieren; die grossen Ziele, gestoppt nur von einer wundersamen Kreatur, die sich unser Alltag nennt.
All die Ideen bleiben zurück, weil wir immer mit der Zeit gehen müssen.
Die Zeit, sie rennt und rennt wie ein wundersamer Zwerg. Hat man ihn einst eingeholt, vielleicht sogar ein bisschen gedrückt und gekuschelt, rennt er voller Tatendrang wieder davon. Und wo bleiben wir? Mit wehendem Schritt laufen wir ihm hinterher. Und ach je, all die Ideen, all die Projekte bleiben verwundert am Wegrand zurück, unvollständig und vielleicht bis an ihr Lebensende unberührt, weil der Homo sapiens immer mit der Zeit gehen muss und vergisst, dass es neben der geteerten Strasse noch so viel Spannendes gäbe.
Ich habe so Durst, doch keine Zeit, denn der Zwerg rennt weiter, während in meinem T-Shirt zwanzig Badewannen voller Wasser darauf warten, nackte Körper zu umspülen, obwohl ihre Lebenszeit schon lange abgelaufen ist und sie ewig werden warten müssen. Noch einige Hunderte Katzensprünge, dann sollte ich ihn endlich eingefangen haben.
Dieser Zwerg ist ein Marathonläufer, ruhen tut er nur selten.
Doch da holen mich langsam die Wegrandgestalten ein und werfen Schatten auf den Boden, erleuchten meine Seele, lassen mein Herz höher schlagen, bringen mich fast zum Stehenbleiben. «Warte schnell!», rufen sie, aber wie soll das schon gehen? Ausserdem lässt mich diese ewige Vernunft, dieser ewige Drang, dem System und mir selbst alles zu beweisen, erneut losrennen, um den Zwerg einzuholen.
Und als ich dann endlich wieder meinen Körper in das einlullende Gefühl von Geborgenheit schmiege, der kleine Zwerg seine Arme über mir ausbreitet und mich an sich zieht, vergesse ich alles andere und vergrabe mich in dem kurzen Moment der Wonne, denn Körper sind träge, und ich bin es auch. Doch dieser Zwerg ist ein Marathonläufer, ruhen tut er nur selten, und bald hinke ich schon wieder ein paar Schritte hinterher.
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Wider die Hektik des Alltags – Warum wir nie wirklich auf der Höhe der Zeit sind
Lucie Portner macht sich ge-«Pfeffer»-te Gedanken über einen rastlos hastenden Zwerg namens Zeit, mit dem sich eigentlich vortrefflich kuscheln liesse.