Was bei der NZZ neuerdings «Usus» ist
Eine NZZ-Kritikerin machte PR für das Theatertreffen – und veröffentlichte eine Lobrede auf das Festival in ihrer Zeitung.

Die NZZ gilt als unabhängige Zeitung. «Wir konzentrieren uns auf qualitativ hochstehende, unabhängige Publizistik», steht im Unternehmensprofil. Nun gibt es Zweifel an dieser Selbstdarstellung, seit gestern im Feuilleton ein Bericht über das Schweizer Theatertreffen erschien. Verfasst hat ihn Daniele Muscionico, die «erste Theaterkritikerin» der NZZ, wie es im Impressum heisst.
Neben ihrer Kritikertätigkeit ist Muscionico Kuratoriumsmitglied des Schweizer Theatertreffens – und sie übernahm zuletzt auch noch die Medienarbeit des Festivals, das eine «kuratierte Werkschau» des hiesigen Theaterschaffens bieten will. In ihrem NZZ-Bericht schreibt Muscionico von der wachsenden «Bedeutung» des Festivals, dem sie seit seiner ersten Austragung vor fünf Jahren als Kuratorin angehört. Zudem schwärmt Muscionico vom Auftritt Alain Bersets, einem «Mann von staatsmännischer Erscheinung». Mit keinem Wort wird im Artikel erwähnt, dass Muscionico – als Presseverantwortliche und Festivalkuratorin – gleich in doppelter Funktion für dieses Schweizer Theatertreffen gearbeitet hat.
2500 Franken für Spesen
«Die Berichterstattung über das Festival in der NZZ entspricht dem Usus», teilt die Unternehmenskommunikation der NZZ-Gruppe mit. Muscionico habe über das Theatertreffen «unparteiisch berichtet». Es seien «lediglich Zitate des Bundesrats wiedergegeben» sowie die Organisationsform des Festivals «beschrieben» worden.
Im Artikel heisst es, Festivalgäste hätten mit «Genugtuung» auf Alain Berset geblickt, als dieser «gemessenen Schrittes» auf eines der Theater zuging. Auch sonst zeigt sich die Autorin fasziniert vom SP-Bundesrat, der einen «eleganten schwarzen Anzug» mit «keckem Einstecktuch» trug und der NZZ eine Verteidigungsrede für das Schweizer Theatertreffen diktierte. Oder «prägnante Worte», wie es im Artikelanriss steht.
Der Einsitz von Muscionico im Kuratorium sei «eine ehrenamtliche Funktion», schreibt die NZZ. Tatsächlich erhielt Muscionico jährlich 2500 Franken für ihre Kuratoriumstätigkeit als «pauschale Abgeltung von diversen Spesen und Aufwendungen», wie das Theatertreffen mitteilt. Die PR-Arbeit für das Festival habe Muscionico «ehrenamtlich» und «ohne Honorar» erbracht.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein NZZ-Journalist PR für einen Verein macht, für den er tätig ist und über den er für die Zeitung berichtet: 2011 wurde bekannt, dass ein NZZ-Redaktor Mitglied im Rennsportverein Zürich war und für diesen Verein Medienleistungen erbrachte. Unter anderem als Ghostwriter für den damaligen Vereinspräsidenten. Von der NZZ-Chefredaktion wurden diese Tätigkeiten als «unzulässiger Interessenkonflikt gewertet». Inzwischen scheint man die Sache etwas lockerer zu sehen, sollte die Verschränkung von PR-Arbeit und Berichterstattung bei der NZZ tatsächlich Usus sein.
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