Wie die USA Snowden noch schnappen könnten
Die Flucht von Edward Snowden sorgt für gehässige Kommentare in chinesischen und amerikanischen Medien. Den USA bleiben vier Optionen, um ihn doch noch zu fassen.
Seit mehr als 48 Stunden hält der untergetauchte Whistleblower Edward Snowden die Welt in Atem. Seine Spur verliert sich in Moskau, nachdem er am Samstag Hongkong in Richtung Russland verlassen hat. Ein für ihn reservierter Platz auf einem Flug nach Kuba blieb leer. Wo sich der 30-Jährige jetzt aufhält, ist unklar, die US-Regierung vermutet ihn noch immer in Russland.
Die spektakuläre Flucht des Enthüllers hat massive Spannungen zwischen den USA, China und Russland ausgelöst. Die chinesische Regierung hätte ihn daran hindern müssen, Hongkong zu verlassen, monierte das Weisse Haus gestern. Sie habe eine «absichtliche Entscheidung» getroffen, als sie Snowden trotz eines US-Haftbefehls die Ausreise erlaubt habe, sagte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Jay Carney. «Diese Entscheidung hat ohne Frage negative Auswirkungen auf die Beziehungen.»
«Die scheinheilige Maske Washingtons»
In China sorgen diese Worte wiederum für heftige Reaktionen. Snowden habe die «scheinheilige Maske Washingtons» heruntergerissen, schreibt die staatliche Zeitung «People's Daily» in einem Kommentar auf der heutigen Frontseite. Auch die chinesische Zeitung «Global Times» (beide Artikel nicht online verfügbar) greift die US-Regierung an: Anstatt sich für die von Snowden enthüllten Hacker-Angriffe auf China und Hongkong zu entschuldigen, «lässt Washington die Muskeln spielen, um die Situation unter Kontrolle zu behalten».
Ähnlich verschnupft reagieren am Tag nach Snowdens Flucht die US-Medien. Ihre Wut richtet sich vor allem auf die russischen Behörden, die den Whistleblower bislang nicht auslieferten. Der ganze Fall erinnere an den Kalten Krieg, schreibt die Zeitung «The New York Times» in einem Kommentar. «Es gibt Zeiten, in denen die alte Rivalität so erbittert aufflammt wie früher, als Spionage und Gegenspionage auf der Tagesordnung standen.»
Man wolle «alle angemessenen rechtlichen Kanäle nutzen», um Snowden doch noch zu fassen, sagte Obama gestern vor Journalisten. Doch so viele Optionen stehen den USA gar nicht mehr zur Verfügung, berichtet der TV-Sender CNN. Konkret gebe es vier Strategien, die Washington verfolgen könnte – «und keine von ihnen hat gute Chancen».
1. Weiterhin Snowdens Auslieferung fordern
Die US-Regierung hat bereits Russland und China dazu aufgefordert, Snowden an die amerikanischen Behörden zu übergeben – bei beiden Ländern stiess der Antrag auf taube Ohren. Damit riskiere Obama seinen eigenen und den Ruf seines Landes, sagt der Strategieexperte Anthony Cordesman gegenüber CNN. Die Risiken dieser Strategie seien deshalb grösser als die Chance, dass ein Land der Aufforderung tatsächlich nachkommt und Snowden an die USA übergibt.
2. Bürokratische Hürden erstellen
Die US-Behörden haben Snowdens Pass nach eigenen Angaben bereits am Samstag für ungültig erklären lassen – am selben Tag, als er aus Hongkong ausreiste. Der Mitarbeiter einer russischen Airline sagte zudem, Snowden habe seinen Pass benutzt, um den Flug von Moskau nach Havanna zu buchen. «Normalerweise braucht man natürlich einen Pass, um zu reisen», sagt ein Jurist gegenüber CNN. Doch in diesem Fall hätten wohl mehrere Länder ein Auge zugedrückt, um Washington zu blamieren. Deshalb konnten auch bürokratische Hürden Snowden bislang nicht am Weiterreisen hindern.
3. Diplomatie anwenden
Stille Verhandlungen zwischen den USA und dem Land, in dem Snowden schliesslich wieder auftaucht, wären möglich – und laut CNN das realistischste Szenario. «Die USA könnten dem Gastgeberland eine Auslieferung Snowdens schmackhaft machen, indem sie ihm Gegenleistungen anbieten», so Cordesman.
Solche Verhandlungen seien hinter den Kulissen wahrscheinlich schon längst im Gange, meint der Experte, vermutlich mit Russland, wo die amerikanischen Behörden Snowden weiterhin vermuten.
4. Zu militärischen Massnahmen greifen
Die letzte der vier Strategien wäre zwar wirksam, ist aber höchst unwahrscheinlich: Das US-Militär könnte zum Äussersten gehen und beispielsweise ein Flugzeug mit Snowden an Bord zur Landung zwingen. «Das würde zu kolossalen Störungen in den internationalen Beziehungen führen», meint dazu der Rechtsexperte Jonathan Turley, «ich kann mir nicht vorstellen, dass Obama so etwas will.»
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