«Wir sind bald wieder da, wo ‹intellektuell› ein Schimpfwort ist»
Der Autor Charles Lewinsky ist gegen einen EU-Beitritt – fordert aber weniger Inselbewusstsein der Schweiz.

Herr Lewinsky, Sie haben geschrieben: «Wir leben in einem Land, in dem die 1.-August-Reden immer weniger mit der Realität zu tun haben.» Wie meinen Sie das?
Dass in jedem Dorf zum Nationalfeiertag immer auch eine Rede gehört, ist eine typisch schweizerische Einrichtung. Ich weiss nicht, ob es das sonstwo in dieser Art gibt. Der 1. August wird ja erst seit Ende des 19. Jahrhunderts gefeiert. Das war mir unbekannt, als ich den Roman «Melnitz» schrieb. Dort ist 1873 von einer 1.-August-Feier die Rede. Ein Historiker schrieb mir dann, dass es damals noch gar keine solchen Feiern gab. Seit es den 1. August aber gibt, wird in Reden ein theoretisches Land beschrieben, ein «Es-wäre-schön-wenn-es-so-wär-Land». Probleme werden selten angesprochen, sondern zumeist Ideale beschworen.